Was ist die ICH Q2(R2) Richtlinie?

Geschrieben von Anindya Ghosh Roy Veröffentlicht in Methodenvalidierung

Die Richtlinie mit dem Titel „Validation of Analytical Procedures" (ICH Q2(R2)) wurde von der Internationalen Konferenz zur Harmonisierung der technischen Anforderungen für die Registrierung von Humanarzneimitteln (ICH) veröffentlicht. Sie enthält Validierungsparameter für eine Vielzahl analytischer Methoden und wurde zum Zwecke der Harmonisierung (also der Angleichung der Anforderungen) beim Zulassungsverfahren von Arzneimitteln für verschiedene Märkte herausgegeben. Die drei an dieser Harmonisierung beteiligten Parteien sind die USA, die EU und Japan. Es gibt eine ganze Reihe weiterer ICH-Richtlinien, die in 4 Hauptgruppen eingeteilt sind:

  1. Qualitätsrichtlinien (z.B. GMP, pharmazeutische Entwicklung, analytische Validierung usw.)
  2. Sicherheitsrichtlinien (z.B. Toxizitätsstudien)
  3. Wirksamkeitsrichtlinien (z.B. Pharmakovigilanz, Berichte über klinische Studien, GCP usw.)
  4. Multidisziplinäre Richtlinien (z.B. elektronische Standards, Gentherapie usw.).

Hier begegnen uns wieder die pharmazeutischen Grundbegriffe des Arzneimittelgesetzes (AMG): Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit (AMG §1).

Diese Richtlinien sollen mögliche Unterschiede beim Zulassungsverfahren von Arzneimitteln bei unterschiedlichen Behörden überbrücken, welche die Qualität des Arzneimittels beeinflussen könnten. In anderen Worten: Sie sollen die gleiche Qualität des Arzneimittels gewährleisten, unabhängig davon, in welchem Land das Medikament auf den Markt gebracht werden soll. Außerdem sollen sie den Behörden helfen, die gleichen Dokumente in guter Qualität bei der Einreichung der Zulassungsunterlagen zu erhalten. Dies soll das Zulassungsverfahren erleichtern, da den Antragstellern alle erforderlichen Informationen bekannt sind. Obwohl die USA ein Teil der dreigliedrigen ICH sind, werden von der eigenen Behörde, der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zusätzliche Richtlinien veröffentlicht. Diese müssen im Falle eines Vertriebs von Arzneimitteln in den USA ebenfalls berücksichtigt werden.

Wie eingangs erwähnt, ist die ICH Q2(R2) Richtlinie Bestandteil der ICH-Qualitätsrichtlinien und beschreibt die Anforderungen an die Validierung von Analysemethoden. Die Richtlinie bezieht sich auf drei Hauptkategorien analytischer Methoden:

  1. Identifizierungsmethoden
  2. Quantitative und Limit-Tests / Grenzprüfungen zur Bestimmung des Gehalts an Verunreinigungen
  3. Assays als quantitative Gehaltsbestimmungen für den aktiven Wirkstoff sowie zum Nachweis der Wirksamkeit.

Von den Arzneibuchmethoden abgesehen, welche für ihren Einsatz im Labor zuvor eine Verifizierung durchlaufen müssen, sollen die oben aufgeführten zu validierenden Testmethoden die Qualität (z.B. durch Identifizierung des Wirkstoffs), die Sicherheit (durch den Nachweis von Verunreinigungen in Konzentrationen unterhalb zu akzeptierender Grenzwerte) und die Wirksamkeit (durch Nachweis des angegebenen Wirkstoffgehalts und dessen Aktivität) demonstrieren. Für jede Methode muss ihre Eignung zur Analyse des entsprechenden Arzneimittelwirkstoffs bzw. des Fertigarzneimittels gezeigt werden. Die für die Validierung gemäß ICH Q2(R2) erforderlichen Leistungscharakteristika (performance characteristics) sind Spezifität / Selektivität, ArbeitsbereichRichtigkeit und Präzision. Dabei fallen die Validierungstests Response (Linearität), sowie die unteren Arbeitsbereichsgrenzen  (Nachweis- sowie Bestimmungsgrenze) unter den (berichtspflichtigen) Arbeitsbereich. Der Parameter "Robustheit" sollte schon während der Entwicklung der Methode untersucht worden sein und fällt nicht unter die ICH Q2(R2) Leistungscharakteristika und Validierungstests. Da nicht alle Parameter für jede Methodenkategorie erforderlich sind, ist es sehr wichtig, die Kategorie der zu validierenden analytischen Methode zu kennen, um ihre beabsichtigte Verwendung mit Hilfe der Validierung nachzuweisen und die dafür geforderten Parameter zu berücksichtigen.

Die ICH Q2(R2) Methodenvalidierungsrichtlinie ermöglicht ein Verständnis für die Anwendung aber auch für die Grenzen der Testmethode. Während der Methodenentwicklung selber ist noch keine Validierung erforderlich, aber die Prinzipien, die in der ICH Q2(R2) aufgeführt sind, sollten bereits im Hinterkopf behalten werden, da nach dem Abschluss der Methodenentwicklung deren Validierung ansteht. Zudem sind der Parameter „Robustheit“ (wie oben angesprochen) genau wie die System Suitability Test Kriterien während der Entwicklung zu evaluieren. Wenn die Methodenvalidierung nicht oder in unzureichender Weise durchgeführt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass die Methode keine zuverlässigen Ergebnisse liefert und von den Behörden nicht für die anstehenden Freigabe- und Stabilitätsprüfungen von Arzneimitteln akzeptiert wird.

 

Update 16.12.2018:

Revision der Validierungsrichtline ICH Q2(R1) geplant

Wie im Sommer dieses Jahres und jetzt im November etwas detaillierter bekannt wurde, wird die von der ICH herausgegebene Richtlinie zur Validierung analytischer Methoden überarbeitet werden. Die Inhalte der im November 2005 zusammengefassten Richtlinie entstammen zwei zuvor separaten Richtlinien, die vor mehr als 20 Jahren veröffentlicht wurden. Der Beschluss zur Revision der Validierungsguideline ICH Q2(R1) ist im Juni beim ICH-Meeting getroffen worden zusammen mit der Entscheidung der Erstellung einer neuen Richtlinie zur Methodenentwicklung (ICH Q14). Noch ist unklar, ob dies zwei eigenständige Dokumente sein werden, oder ob eine kombinierte Richtlinie resultieren wird, da eine mögliche Kombination durch das Expertenkomitee geprüft werden soll.

Im Zuge der Überarbeitung sollen Validierungscharakteristika für modernere spektroskopische und -metrische Methoden wie Near Infrared (NIR)-, Raman- oder Nuclear Magnetic Resonance (NMR)-Spektroskopie und verschiedene Massenspektrometrie-Kombinationen wie beispielsweise GC-MS oder CE-ICP-MS ergänzt werden. Einige dieser Methoden finden dabei als Echtzeit-Inprozesskontrollen (Stichwort „Process Analytical Technology“ (PAT)) Anwendung und können mit multivariater statistischer Datenanalyse einhergehen. Entsprechend soll dieser Aspekt in der ICH Q2(R2) ebenfalls mitberücksichtigt werden. Im Zuge des gegenwärtig auch für analytische Methoden in der Entstehung befindlichen Lebenszyklus-Konzeptes („lifecycle approach“, siehe z.B. Stimuli-Paper für das neue USP Kapitel <1220>) werden Überlegungen zur kontinuierlichen Verifizierung der Leistung der Methode („ongoing method performance verification“) ebenfalls in die Überarbeitung miteingehen.

Gemäß des jetzt im November erschienenen Konzeptpapiers ist im Frühjahr 2021 mit der Veröffentlichung der überarbeiteten ICH Q2(R2) Richtlinie zu rechnen. Wir dürfen gespannt sein!

 

Update 04.01.2022:

Gemäß des im Juni letzten Jahres veröffentlichten Arbeitsplans sollte sich die ICH Q2(R2) Guideline inzwischen in Step 2a/b befinden und im Januar dieses Jahres die öffentliche Konsultation gestartet werden. Mit Step 4 ist für November 2022 zu rechnen…

Update 25.03.2022:

Und endlich ist sie da: seit dem 24. März 2022 befindet sich der Konsensus-Entwurf der überarbeiteten ICH Q2(R2) Richtlinie im Step 2b, d.h. zur öffentlichen Einsicht zwecks Kommentierung durch die entsprechenden Stakeholder, wie die europäische Kommission, das koreanische MFDS, die chinesische NMPA und taiwanesische TFDA mit Deadlines von Mitte bzw. Ende Juli. In der auf der ICH Homepage veröffentlichten Q2(R2) / Q14 Step 2 Präsentation wird der Step 4 für Mai 2023 angekündigt…

Update 15.11.2023:

Wie in der Pressemitteilung der ICH vom 8.11.2023 bekannt gegeben, wurde Step 4 für beide Guidelines erreicht und als nächstes sollen Trainingsmaterialien erarbeitet werden.

 

Update 07.12.2023:

Der obige Text wurde zum Zeitpunkt seiner Erstellung basierend auf der Vorgängerversion (der ICH Q2(R1)) geschrieben und jetzt entsprechend aktualisiert.

Wenn man die aktuelle ICH Q2(R2) und die ehemalige ICH Q2(R1) vergleicht, so lassen sich die wesentlichen Unterschiede wie folgt zusammenfassen:

  • Die in der ICH Q2(R1) ausführliche Darstellung der Methodenkategorien ist in der ICH Q2(R2) weggefallen, findet sich aber noch in der Tabelle 1, da die ICH R2(R2) grundsätzlich auf einen breiteren Geltungsbereich ausgelegt ist. In diesem Zusammenhang enthält die ICH Q2(R2) auch komplett neue Informationen für die Validierung multivariater Analysemethoden.
  • Neben der individuellen Evaluierung von Richtigkeit und Präzision erlaubt die ICH Q2(R2) auch deren gemeinsame Evaluierung, z.B. mit Hilfe eines Toleranzintervals.
  • Die ICH Q2(R2) erhält Anforderungen zur Spezifität / Selektivität für stabilitäts-anzeigende Methoden, wie sie bislang nur in der FDA Guideline von 2015 aufgeführt waren sowie zur Verwendung gestresster Proben und ermöglicht bei bestimmten Methoden einen Wegfall von Experimenten zur Spezifität (Stichwort: „Technology Inherent Justification“).
  • Bei der Response (Linearität) ist die von der ICH Q2(R1) geforderte sinnlose Angabe zur RSS in der ICH Q2(R2) endlich entfallen, dafür wird aber in der ICH Q2(R2) ein Residualplot explizit erwähnt…
  • Neu ist die Forderung der ICH Q2(R2) zur Bestimmungsgrenze, dass diese bei Methoden für Verunreinigungen ≤ dem „reporting limit“ sein muss.
  • z.T. geänderte Wortwahl + einige neue Kapitel sowie Anhänge aufgrund zu Grunde liegender Konzepte (àreportable range“, Lebenszyklus-Konzept), oft übersichtlicher (alphabetisch sortiertes Glossar, Tabelle anstelle von Fließtext, Reduzierung von Redundanzen)…