Was ist der Unterschied zwischen Spezifität und Selektivität?

Geschrieben von Anindya Ghosh Roy Veröffentlicht in Methodenvalidierung

In diesem kleinen Blogartikel möchten wir zwei Begriffe erläutern, die im Rahmen analytischer Methodenvalidierungen verwechselt werden können. Es geht um Spezifität und Selektivität.

 

Spezifität

Gemäß der offiziellen Richtlinie ICH Q2(R1), die für Methodenvalidierungen anzuwenden ist, ist Spezifität definiert als:

"Spezifität ist die Fähigkeit, den Analyten in Gegenwart von anderen Komponenten, die erwartungsgemäß ebenfalls vorhanden sein können, eindeutig zu bestimmen."

Aber was heißt das nun konkret? In anderen Worten kann man sagen, dass uns Spezifität etwas über den Grad an Interferenz durch andere ebenfalls in der Probe vorhandene Substanzen (wie z.B. Hilfsstoffe, Zersetzungsprodukte, Verunreinigungen allgemein) aussagt. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass Sie einen Schlüsselbund tragen und nur ein Schlüssel daraus das Schloss Ihrer Haustür öffnen kann. Eine Methode, die den richtigen Schlüssel für das Haustürschloss identifizieren kann, kann als "spezifisch" bezeichnet werden. Anders gesagt, die Methode ist spezifisch für diesen einen Schlüssel unter allen anderen Schlüsseln Ihres Schlüsselbundes.

Für die Spezifität ist die Identifizierung der anderen Schlüssel im Schlüsselbund nicht erforderlich.

Bei analytischen Verfahren definiert Spezifität die Identität eines Analyten in einer Mischung mit ähnlichen Komponenten in einer Probe, wobei die Identität der einzelnen Komponenten nicht wichtig ist. Spezifität kann untersucht werden, indem

  1. entweder ein bekannter Analyt in einer Mischung mit strukturell ähnlichen Verbindungen (+) oder
  2. eine Mischung strukturell ähnlicher Moleküle ohne den eigentlichen Analyten (-) analysiert wird.

Der zweite Ansatz kann auch als "Matrixinterferenz" bezeichnet werden und wird angewendet, um zu überprüfen, ob die Matrix (z.B. Formulierungspuffer) des Arzneimittels selber einen Effekt (in Form einer Signalverstärkung oder -aufhebung) auf die Ergebnisse ausüben kann. Der erste Ansatz kann - im Falle von Separationstechniken wie HPLC-Methoden - auch als "Trennselektivität" (separation selectivity) angesehen werden. Dies bedeutet, dass das Verfahren dahingehend überprüft wird, ob es noch in der Lage ist, eine mit bekannten Mengen potentiell störender Substanzen gespikte Probe angemessen aufzutrennen und saubere Peaks zu erzielen. Im Falle von Methoden, die auf die Quantifizierung von Verunreinigungen abzielen, eignen sich dafür auch sehr gut Proben, die einer Stressung (z.B. im Rahmen von erzwungenen Degradierungsstudien) unterzogen wurden. Bei diesen ist erkennbar, dass je nach „Stärke“ der Stressung die Konzentration des zu untersuchenden Analyten ansteigt.

Labormethoden, die in der pharmazeutischen Qualitätskontrolle (QC) eingesetzt und entsprechend GMP validiert werden müssen, können in 3 Hauptgruppen (Identifizierungsmethoden, Tests zur Bestimmung von Verunreinigungen und Gehalts- / Wirksamkeitsassays) eingeteilt werden. Unabhängig von der Eingruppierung, ist für jede von ihnen ist der Validierungsparameter Spezifität erforderlich. Es ist jedoch leicht nachvollziehbar, dass gerade für Identifizierungsmethoden Spezifität unabdingbar ist, da sichergestellt sein muss, dass nur der interessierende Analyt in der Probe detektiert wird und es nicht zu Kreuzreaktionen mit anderen vorhandenen Substanzen kommt.

 

Selektivität

Manchmal wird auch der Begriff "Selektivität" verwendet, um dasselbe wie Spezifität zu sagen, obwohl Selektivität ein wenig anders definiert ist. Dieser Begriff wird in der ICH Q2(R1) Guideline nicht erwähnt, sondern taucht in der europäischen Richtlinie zur bioanalytischen Methodenvalidierung auf und ist definiert als:

„Die analytische Methode sollte in der Lage sein, den/die interessierenden Analyten und den IS [Anm. d. Red.: internen Standard] von endogenen Komponenten in der Matrix oder anderen Komponenten in der Probe zu unterscheiden."

Hier liegt die Betonung auf „unterscheiden“. Anders ausgedrückt, können wir sagen, dass Selektivität der Spezifität im Grundgedanken sehr ähnlich ist, jedoch mit dem großen Unterschied, dass die Identifizierung aller Komponenten der Mischung obligatorisch ist. Im obigen Beispiel erfordert die Selektivität die Identifizierung aller Schlüssel im Schlüsselbund und nicht nur des einen Schlüssels zum Öffnen der Haustür.

 

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Begriff Spezifität verwendet wird, um etwas über die Fähigkeit der Methode zu sagen, nur auf einen einzelnen Analyten zu reagieren, während Selektivität verwendet wird, wenn die Methode auf mehrere verschiedene Analyten in der Probe reagieren kann. Im Kontext der analytischen Chemie ist Selektivität gemäß den IUPAC-Empfehlungen zu bevorzugen.

Für analytische Methoden wie Trenntechniken sollten einzelne Komponenten markiert werden können. Bei chromatographischen Techniken sollten die Chromatogramme eine klare Auflösung zwischen verschiedenen Peaks aufweisen, wie schon durch die ICH Q2(R1) gefordert: „For critical separations, specificity can be demonstrated by the resolution of the two components which elute closest to each other.“ .