Stabilitätsanzeigende Methoden und ihre Rolle bei der Qualitätskontrolle von Arzneimitteln

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in Über den Tellerrand...

Haben Sie jemals über das Verfallsdatum auf einer Medikamentenverpackung nachgedacht und sich gefragt, wie diese Daten ermittelt werden? Im heutigen Blogartikel werden wir das gleiche Thema aus einer Analytik-Sichtweise diskutieren.

Jedes Arzneimittel hat eine Haltbarkeitsdauer, nach deren Ablauf die Qualität des Medikaments nicht mehr gemäß Spezifikation gewährleistet sein kann, z.B. durch verstärkten Zerfall. Diese Haltbarkeit wird durch Untersuchungen der Lagerbedingungen während der Produktentwicklung bestimmt. Die dabei angewandten Lagerungsbedingungen orientieren sich an den Klimazonen der Länder / Regionen, in denen das Arzneimittel vertrieben werden soll und berücksichtigen Temperatur und Luftfeuchte. Die Durchführung formaler Stabilitätsstudien (einschließlich Langzeitstudien --> 12 Monate und beschleunigter Stabilitätsstudien --> 6 Monate) ist erforderlich, bevor das Arzneimitteldossier den Behörden zur Zulassung vorgelegt wird. Die Dauer dieser Stabilitätsstudien macht eine rechtzeitige Entwicklung stabilitätsanzeigender analytischer Methoden unmöglich. Dies sind Methoden, die für die Quantifizierung der Abnahme des Wirkstoffs (active pharmaceutical ingredient, API) und die Zunahme der entstehenden Zerfallsprodukte eingesetzt werden. Um Zeit zu sparen, ist ein Analyst daher gezwungen, degradierte Proben künstlich zu erzeugen und den Wirkstoff zum Zerfall zu zwingen („forced degradation“). Dafür wird er auf verschiedene Weise gestresst, indem er beispielsweise Säure, Base, Oxidantien, Hitze, Feuchtigkeit und Licht ausgesetzt wird und die dabei entstehenden Abbauprodukte analysiert werden. Es gibt zwei grundlegende Aspekte des Wirkstoffs, die anschließend betrachtet werden:

  1. Wirksamkeit (potency): Dies bedeutet die Untersuchung des Wirkstoffs in der Probe. Es ist logisch, dass sich dieser unter den angewandten Stressbedingungen abgebaut haben könnte und daher weniger effektiv ist.
  2. Bestimmung der Abbauprodukte: Bei der Zersetzung des Wirkstoffs entstehen Abbauprodukte. Diese Produkte können toxischer Natur sein und müssen identifiziert und analysiert werden. Mittels geeigneter Limits sind die Gehalte der entstehenden Abbauprodukte zu begrenzen und deren Unbedenklichkeit in der festgelegten Konzentration ist zu belegen. Als Faustregel gilt, dass es möglich sein muss, Verunreinigungen in Höhe von mehr als 0,1% des Ausgangsarzneimittels zu quantifizieren.

 

Der Entwurf einer erzwungenen Degradationsstudie (forced degradation study) und der entsprechenden stabilitätsanzeigenden Nachweismethode erfordert 3 Hauptüberlegungen:

  • Auswahl der Stressbedingungen,
  • Auswahl geeigneter Arzneimittelkonzentration(en) und
  • Auswahl einer geeigneten Methode inklusive Detektors.

Ein klares Verständnis des Syntheseweges des Arzneimittels und einiger physikalisch-chemischer Eigenschaften ermöglicht oft ein besseres Verständnis der im Endprodukt zu erwartenden Komponenten. Wie eingangs erwähnt, kann die Degradation durch Anwendung verschiedener Stressbedingungen wie Hydrolyse, Oxidation, photolytische oder thermische Belastung erreicht werden. So entsteht beispielsweise in Folge einer hydrolytischen Reaktion aus Acetylsalicylsäure das Abbauprodukt Salizylsäure und bei Metoprolol entsteht durch oxidativen Stress u.a. die im Arzneibuch aufgeführte Verunreinigung B. Daher müssen verschiedene Reagenzien, Expositions- und Lagerungsbedingungen sowie Probenahmetage berücksichtigt werden. Die Konzentration des Wirkstoffs sollte hoch genug sein, um die Bildung von Abbauprodukten zu ermöglichen, während andererseits Untersuchungen bei der Konzentration durchgeführt werden sollten, in der der Wirkstoff im fertigen Arzneimittel in seiner finalen Formulierung vorliegen soll. Als Methode kann die weit verbreitete RP-HPLC gewählt werden, wobei jedoch auch andere Techniken wie beispielsweise Kapillarelektrophorese (CE) oder Gaschromatographie in Kombination mit Massenspektrometrie (GC-MS) angewendet werden können. Ziel ist es, möglichst viele Komponenten zu trennen und durch unterschiedliche Peaks zu bestimmen. Übliche Variablen der Methode sind die Wahl der Lösungsmittel, des pH-Werts, der Temperatur und des Säulentyps. In Bezug auf den Detektor ist üblicherweise ein UV-Detektor mit einem Detektionsbereich von 0,1 - 0,5 bis 100% Konzentration des Ausgangsarzneimittels am meisten geeignet, während in manchen Fällen jedoch auch ein Diodenarraydetektor (DAD) eine bessere Wahl sein kann.

 

Die Validierung von stabilitätsanzeigenden Analysemethoden ist komplexer als die Validierung anderer Arten von Methoden. Die normalen Validierungsparameter für quantitative Bestimmungen von Verunreinigungen gemäß der ICH Q2(R1)-Richtlinie müssen im Rahmen der Validierung untersucht werden. Die Menge an erzwungener Zersetzung und den resultierenden Abbauprodukten, die für die Validierung einer stabilitätsanzeigenden Methode erforderlich sind, wird heiß diskutiert und kann nicht allgemein beantwortet werden. Während erzwungener Degradationsstudien können auch Abbauprodukte auftreten, die normalerweise nicht in dem „normal“ gealterten Produkt vorkommen würden. Daher ist die Bestimmung der Peak-Reinheit erforderlich. Die Peak-Reinheit bietet zusätzliche Informationen zur Spezifität der Methode. Mit anderen Worten, es muss gezeigt werden, wie gut der Hauptpeak von den Abbauprodukten separiert werden kann. Die Peak-Reinheit stellt sicher, dass kein anderer Peak durch den Wirkstoffpeak verdeckt wird oder mit diesem überlappt oder co-eluiert. Dieser Punkt wird auch in der FDA-Richtlinie "Analytical Procedures and Methods Validation for Drugs and Biologics", 2015, adressiert, da gefordert wird, die Spezifität der stabilitätsanzeigenden Methode auf verschiedene Weise (u.a. mit Stressstudien) zu belegen: „use of samples spiked with target analytes and all known interferences; samples that have undergone various laboratory stress conditions; and actual product samples (produced by the final manufacturing process) that are either aged or have been stored under accelerated temperature and humidity conditions". Nachdem die Methode validiert worden ist, kann sie zur Analytik bei den formalen Stabilitätsstudien zur Ermittlung der Haltbarkeit eingesetzt werden.

 

Zusammengefasst werden forcierte Degradationsstudien zur Generierung produktbezogener Abbauprodukte verwendet, damit mit diesen stabilitätsanzeigende Analysemethoden entwickelt werden können. Diese wiederum sollen die in den formalen Stabilitätsstudien entstehenden Zersetzungsprodukte nachweisen. Während der Validierung der stabilitätsanzeigenden Methode werden Proben aus erzwungenen Degradationsstudien zum Nachweis der Spezifität eingesetzt.

 

Update 05.09.2019

Gemäß den kürzlich von der FDA veröffentlichen Antworten auf Fragen bzgl. cGMP im Hinblick auf Laborkontrollen wurde sich auch mit der Frage beschäftigt, ob gemäß cGMP die Durchführung von erzwungenen Degradationsstudien in jedem Fall bei der Untersuchung stabilitätsanzeigender Methoden für DPs notwendig ist. Die Antwort ist nein, wenn der Abbauweg und die Eignung der Methode durch andere Daten (wie z.B. Stresstests der DS, beschleunigte und Langzeitstudien der DS oder des DP) belegt werden können, wobei ein Augenmerk auf die Spezifität zu legen ist. Zudem muss mit einer Rationale die Entscheidung über den Umfang von erzwungenen Degradationsstudien dokumentiert sein.