Buchvorstellung „Laborstatistik für technische Assistenten und Studierende“
Inzwischen habe ich - weiterhin begeistert - ein weiteres „essentials“-Büchlein von Patric U.B. Vogel durchgelesen. In dem heutigen Beitrag möchte ich das Buch „Laborstatistik für technische Assistenten und Studierende“ (2021 veröffentlicht bei Springer Spektrum, Wiesbaden; ISBN: 978-3-658-33206-8) vorstellen und mein persönliches Feedback dazu geben.
Zum Inhalt
Dieses Büchlein vermittelt auf 70 Seiten (mit Literatur) einen guten Überblick über die für den Alltag in unterschiedlichen, biologisch-chemisch ausgerichteten Laboratorien gebräuchlichsten statistischen Methoden. Dabei richtet es sich sowohl an Mitarbeiter aus Laboren des akademischen Umfelds als auch der pharmazeutischen Qualitätskontrolle. In der Einleitung wird der Kontext erläutert, warum und wofür Statistik nötig ist / sein kann und eine Einführung in die kommenden Kapitel gegeben. Im nächsten Kapitel lernt der Leser die verschiedenen Datentypen und die Parameter der beschreibenden Statistik sowie diesbezügliche häufige Fehlerquellen kennen. Dabei wird komplette bei Null angefangen, was hier auch absolut in Ordnung ist. Im nächsten Kapitel wird auf eher „Ungewöhnliches“, d.h. nicht in jedem Labor angewandte Techniken zur Prüfung auf Ausreißer, Normalverteilung und Stichprobenberechnung, eingegangen. Das Vorliegen einer Normalverteilung ist dann auch die Voraussetzung für die im folgenden Kapitel erläuterten statistischen Tests zum Vergleich von Datensätzen mittels t-Test bzw. ANOVA. Den Abschluss bildet ein Kapitel über lineare Regression und Korrelation, um potenzielle Zusammenhänge beurteilen zu können. Außerdem erfahren wir etwas über den Sinn und Zweck von Konfidenzintervallen sowie über deren Berechnung. Des Weiteren wird der Inhalt am Ende selbstverständlich wieder kurz und knackig zusammengefasst und vom Literaturverzeichnis abgerundet. Großartig erwähnen, dass das bewährte Konzept (Ein- und Ausstiegsseiten mit Bullet Points, Einleitung und Zusammenfassung, super Bebilderung sowie fett geschriebene Schlagworte) auch hier beibehalten wurde, brauche ich wohl nicht ????
Pro’s und Con’s
Gleich vorneweg, bei diesem Büchlein fällt es - im Vergleich zu den bisherigen schon gelesenen Büchern - extrem stark auf, dass deutlich weniger Rechtschreibfehler vorhanden sind. Wie immer ist es in einem super-verständlichen Schreibstil geschrieben und es wird durchweg hervorragend nachvollziehbar (u.a. mit Hilfe von Bildern) erklärt, wie etwas berechnet wird. Sehr gut gefällt mir auch, dass sich ein gleich zu Beginn gewähltes Beispiel einer Gewichtsbestimmung hormonell behandelter Laborratten durch das komplette Buch zieht und für die unterschiedlichen Aspekte immer wieder mit neuem Blickwinkel aufgegriffen wird.
Gelungen empfinde ich es auch, dass die Themen sowohl für Studierende in Laboren des akademischen Umfelds als auch für technische Assistenten oder Laboranten in pharmazeutischen Laboren geschrieben sind und immer beide Sichtweisen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Themenauswahl meines Erachtens sehr gut gelungen.
Sehr gut gefallen hat mir – wie auch schon bei der letzten Rezension – der kritische Blick des Autors, wenn z.B. erwähnt wird, dass im akademischen Bereich die Festlegung der Stichprobengröße oftmals subjektiv erfolgt, Achsen geschönt werden, um zu Dramatisieren oder mit der Anwendung von Ausreißer-Tests auch Datenmanipulation betrieben werden kann. Gleichermaßen kritisch wird auch mit dem selbst gewählten Beispiel umgegangen, bei dem klar gesagt wird, dass die für das Beispiel gewählte Stichprobengröße zu niedrig gewählt war und nur durch Glück ein signifikanter Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen nachgewiesen werden konnte.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist auch die Beschreibung super, WIE der Dixon Test für Ausreißer berechnet wird, aber mir hat die Erklärung gefehlt, WARUM gerade dieser Test eingesetzt wird. Ein wenig mehr Hintergründe zu den Vorteilen von diesem Test gegenüber anderen wären schön gewesen ebenso wie die Angabe, bis zu welcher Stichprobengröße er angewendet werden kann. Apropos Hintergründe… Diese fehlten mir auch, um zu verstehen, warum ich bei einer Stichprobengröße von 50 einen Shapiro-Wilk Test zur Prüfung auf Normalverteilung eines Datensatzes anwenden sollte oder warum als β-Fehler oft ein Wert von 0,2 angenommen wird oder warum ich bei den Balkendiagrammen nur einen positiven, nicht aber einen negativen Fehlerwert eintragen soll… Etwas ungeschickt ist leider auch, dass zwar die Hintergründe zur Hormontherapie beim Ratten-Beispiel toll auf S. 36 erklärt werden, dem aber schon auf S. 28 vorgegriffen wird und man zu dem Zeitpunkt als Leser leider noch nichts von der den Versuchen zu Grunde liegenden Hormontherapie erfahren hatte… Sehr schön war meines Erachtens jedoch die Erläuterung des Hintergrunds für das „wie & warum“ beim T-Test und auch die Mini-Einführung in den F-Test zwecks Auswahl des richtigen Typs beim T-Test. Kompliment!
Gut gefallen hat mir auch, wie bereits beim Buch übers Trending, dass nicht-parametrische statistische Methoden für nicht-normalverteilte Daten hier nicht besprochen wurden, um nicht „auszuufern“, aber der Verweis auf eine gute Quelle zur eigenen Weiterbildung (wie beim Trending) wäre schön gewesen… Und wo wir schon beim Vergleich mit dem Trending sind, so musste ich auch in diesem Buch bei der Erläuterung der Normalverteilung anhand des Beispiels der Körpergröße leider wieder eine wortgleiche Passage vorfinden, was für mich immer noch ein Geschmäckle hat…
Inhaltlich sind des Weiteren einige Kleinigkeiten zu bemängeln, wie beispielsweise an zwei Stellen Fehler bei den dargestellten Berechnungsbeispielen, was das Nachvollziehen etwas schwieriger macht, wenn im Text von 0,842 geschrieben wird, aber in der Rechnung 0,845 angegeben ist oder an anderer Stelle im Text von einer Standardabweichung von 15 g gesprochen wird und auf eine Tabelle referenziert wird, dort aber nur 10,1 g angegeben sind… oder wenn in einem Entscheidungsbaum „ja“ und „nein“ fehlen ???? Auch muss nicht mehrfach erwähnt werden, dass Quadrieren Multiplizieren mit sich selbst ist, das sollte wohl jedem (noch) bekannt sein… Bei den Konfidenzintervallen wäre zudem etwas mehr Anwendungsbezug mit Beispielen aus der Pharma-Welt schön gewesen, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wann und wofür man Konfidenzintervalle im regulierten Umfeld gebrauchen könnte, wie das z.B. im Trending-Büchlein kurz angerissen wurde.
Leider mangelte es der Lektorin auch in diesem Buch an Gründlichkeit, da es auffallen hätte müssen, wenn im Text auf eine Abbildung mit farbigen Hinweisen („blaue Punkte“, „rote Linie“) verweisen wird, die Abbildung aber leider nur in schwarz-weiß gezeigt wird… Auch die Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen / Symbole (MW versus x oder SD versus s versus σ) für den gleichen Sachverhalt hätte bemerkt werden können und ist aus meiner Sicht didaktisch nicht gerade besonders geschickt, eine einheitliche Darstellung wäre da wertvoller ???? Daneben hätten weitere Kleinigkeiten bemerkt werden können, wie eine nicht in alphabetischer Reihenfolge eingeordnete Referenz, ein fehlender Strich bei x, die Verwendung von „ß“ anstatt des griechischen beta-Zeichens oder eine nicht eingeführte Abkürzung…
Zudem ist auch die Einbindung der Bebilderung / Tabellierung in den Text nicht immer optimal angeordnet, so wird z.B. auf einer Seite auf eine Tabelle verwiesen, die erst 6 Seiten später gezeigt wird, was den Lesefluss etwas erschwert.
Und zu guter Letzt
Auch wenn ich mich inzwischen mehr im pharmazeutischen Umfeld aufhalte, möchte ich zuerst einmal auch eine Lanze für den akademischen Bereich brechen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie zu Beginn meiner Promotion mein Betreuer und ich nach den ersten Versuchen den Rat eines Statistikers in Anspruch genommen haben, um zu evaluieren, wie viele Patienten wir denn in die Gruppen unserer Studie einschließen müssen (Stichwort: Stichprobengröße)…
Und was habe ich ansonsten selber aus diesem Büchlein mitgenommen? Unter anderem waren die Rundungsregeln der FDA für mich interessant, da sie ja für den pharmazeutischen Bereich relevant sind. Außerdem ist jedes Buch für mich eine Inspirationsquelle für die eine oder andere Anregung für einen neuen Blogbeitrag oder für Verbesserungs- oder Ergänzungsmöglichkeiten bereits bestehender.
Des Weiteren hat der Hinweis der häufig falsch benutzen Excel-Formel zur Berechnung der Standardabweichung auch bei einem Kunden für ein wenig Diskussion gesorgt…
Hinsichtlich der anzusprechenden Zielgruppe (Studenten und TAs) ist mein persönlicher Eindruck, dass dieses Büchlein perfekt auf sie ausgerichtet ist, sowohl was die Inhalte, Beispiele und die Art der Wissensvermittlung betrifft.
Damit lässt sich als Fazit festhalten, dass meine eigene Erwartungshaltung an dieses Buch voll erfüllt wurde und ich es uneingeschränkt empfehlen kann.