Buchvorstellung „Endotoxine und Pyrogene“

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in Über den Tellerrand...

In gewohnter Manier hat mich auch im letzten Urlaub natürlich wieder ein Fachbuch begleitet, welches ich nun vorstellen möchte. In diesem Fall handelt es sich um „Endotoxine und Pyrogene – Nachweisverfahren, Produktprüfung, Inaktivierung“, welches von Michael Rieth bei der Wiley-VCH GmbH, Weinheim in der ersten Auflage im Jahr 2021 veröffentlicht wurde (ISBN: 978-3-527-34695-0).

 

Zum Inhalt

Das Buch umfasst mit Anhang, Abkürzungen, weiterführender Literatur (sehr ausführlich) und Stichwortverzeichnis 185 bedruckte Seiten und wird von 6 unbedruckten Doppelseiten am Ende begleitet. Was sollen diese 6 leeren Seiten - handelt es sich dabei eventuell um einen Fehler bei der Bindung in meiner Ausgabe oder steckt da ein sich mir nicht erschließender Zweck dahinter?

Davon abgesehen, erfährt man nach einem kurzen Abriss zur Geschichte der Endotoxin- und Pyrogen-Nachweisverfahren, seiner Varianten und Neuentwicklungen Wissenswertes zum Schwertschwanz an sich, der zu Grunde liegenden Reaktionsprinzipien der Tests und Endotoxinen im Allgemeinen. Daran schließen sich Beschreibungen der entsprechenden Arzneibuchkapitel an. Die Kapitel zur Labor-Ausrüstung, dem Probenzug und Probenvorbereitung sowie Methodenvalidierung lassen den Bezug zur Praxis deutlich werden. Eine Einführung in den LER-Effekt (low endotoxin recovery) sowie zu Glucanen vermittelt gutes Hintergrundwissen. Nachdem auch ein Blick auf den Umgang mit nicht-spezifikationskonformen (OOS-) Ergebnissen geworfen wurde, runden Kapitel zu weiteren Einsatzmöglichkeiten das Buch inhaltlich ab.

 

Mein Eindruck

Die Themenauswahl finde ich grundsätzlich gelungen, vielleicht an der einen oder andere Stelle meines Erachtens etwas langatmig, aber insgesamt passend. Ein guter Rundumschlag. In diesem Buch gibt es kein Kapitel, wie in so manch anderem Buch, wo ich mich fragen musste, was das denn nun mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Sehr positiv ist mir zudem die Aktualität aufgefallen, so wird neben den klassischen Verfahren wie dem Limulus-Amöbozyten-Lysat (LAL)- Test auch der Monozyten-Aktivierungstest (MAT) und der Test mit rekombinantem Faktor C (rFC) angerissen. Etwas schade sind z.T. seitenlange englische Zitate, die man besser kurz zusammenfassen hätte können…

Des Weiteren kam mir manches leider wie ein Lückenfüller vor, so folgen beispielsweise nach der schon ausführlichen Beschreibung des Kaninchentests (RPT, rabbit pyrogen test) Übersetzungen der Monografien verschiedener Hilfsstoffe oder eine zweiseitige Auflistung der maximal gültigen Verdünnungen (MVD, maximum valid dilution) verschiedener im LAL-Test geprüfter Substanzen, jedoch ohne Angabe von Fazits… Spiegelt diese Auflistung die Erfahrung des Labors des Autors wieder, soll es dem Leser als Orientierung dienen oder was ist der Zweck? Wozu brauche ich eine tabellarische taxonomische Gegenüberstellung des Schwertschwanzes zur Seegurke? Und wo wir schon bei Tabellen sind, in die gleiche Richtung geht es zum Teil auch mit der Bebilderung: so finden sich Bilder der Herstellung des Lysats, von Bakterien, einer Briefmarke, ein Foto der Kit-Bestandteile oder Eichgeraden zur Auswertung, welche zwar ganz nett sind, aber nicht im Text eingebunden werden… Ansonsten ist die Bebilderung gut.

Der Schreibstil des Autors war für mich gut verständlich und interessant, könnte aber einen Laien, der sich mit dem Thema nicht auskennt, vor Schwierigkeiten stellen, denn es wird Wissen vorausgesetzt, da z.T. nicht erklärte oder unterschiedliche Abkürzungen oder Fachbegriffe verwendet werden. Weiß jeder, was ein MHC-Komplex ist oder dass PPC und PPK für das Gleiche (positive product control / Positive Produktkontrolle) stehen? Zudem fanden sich an einigen Stellen fast wortgleiche Wiederholungen zu vorherigen Kapiteln…

Manche Beispiele sind sehr detailliert dargestellt, aber manche meines Erachtens auch zu schwammig: So erfolgt bei einer Zentrifugation die Angabe in Upm anstatt in g oder beim Beispiel zum LER-Effekt wird nicht klar, ob CSE oder RSE (Kontroll- / Referenzstandardendotoxin) eingesetzt wurde oder bei einem MAT mit Kryoblut werden die Eichgeraden mal mit 3, mal mit 4 Konzentrationen angesetzt – ohne weitere Erklärung…

Neben kleinen Fehlerchen (Spalten einer Tabelle vertauscht, zwei unterschiedliche Temperaturen beim gleichen Prozess, Wording: Pasteurisierung ist nicht das gleiche wie UHT (Ultrahocherhitzung, ultra high temperature / treatment)) muss ich auch den Umgang mit Quellen etwas ankreiden: manche Quellen sind nicht im Text eingebunden oder die Nummerierung springt in nicht nachvollziehbarer Weise, eine Referenz ist bereits zurückgezogen, wurde aber zitiert, eine wurde inzwischen aktualisiert, aber es findet sich noch die alte Angabe im Buch, und manchmal fehlen sie ganz… In dem Zusammenhang wäre gerade bei der Erläuterung des LER-Effektes ein Verweis auf den PDA TR 82 nicht schlecht gewesen…

Unter didaktischen Aspekten wären vielleicht kleine einleitende Zusammenfassungen oder Merke-Kästchen gut, aber da dieses Buch eher ein Praxis- als ein klassisches Lehrbuch ist, mag das ok sein. Grundsätzlich sprechen mich der Praxis-Aspekt und die wirklich vielen Beispiele in dem Buch an, aber manches erschien mir etwas seltsam: So gibt es bei den Validierungen eine zusammenfassende Ergebnistabelle mit allen 3 Varianten des LAL-Tests (GelClot, turbidimetrisch, chromogen), bevor die Einzelergebnisse pro Charge seitenlang aufgeführt werden. Vielleicht wären kürzere Darstellungen möglich gewesen? Zudem werden 3 Validierungsbeispiele aufgeführt, wo mir die Intention dahinter nicht klar ist: Sollte das 1. Beispiel den Vergleich der 3 Varianten des LAL-Tests, das 2. Beispiel eine Alternative zum RPT inklusive Calcium-Blocking und das 3. Beispiel den Einsatz von Pyrosperse® und die Untersuchung der Richtigkeit verdeutlichen? Ein anderes Beispiel zeigt anschaulich den LER-Effekt, erläutert aber nicht, wie das Problem gelöst wurde. Bei einem weiteren Beispiel zur Endotoxin-Prüfung auf Stopfen geht nicht hervor, ob die geschilderte Vorgehensweise auf der Erfahrung des Autors oder einer nicht genannten Quelle beruht. Ein „z.B.“ wäre schön gewesen, denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Prüfung in anderen Laboren auch anders als in diesem Buch beschrieben durchgeführt wird ;-)

Apropos eigene Erfahrung: Muss eine Requalifizierung eines Heißlufttunnels zur Endotoxinabreicherung grundsätzlich halbjährlich erfolgen? Wäre nicht auch ein jährlicher Turnus denkbar?

Ein wenig Schmunzeln muss ich ja, wenn mir beim Lesen eines Buches die eigenen beruflichen Stationen erneut über den Weg laufen und sich der Kreis schließt. So ist mir als gelernte milchwirtschaftliche Laborantin eine UHT-Behandlung von Milch natürlich nicht fremd und auch der Name eines zitierten Autors geisterte noch Jahre später an meiner Kieler Ausbildungsstätte umher. Die Nennung von Confarma als Anbieter eines MATs erzeugt ebenfalls ein kleines Lächeln, habe ich doch selbst einige Zeit bei Confarma verbracht… wenngleich ich auch die meiste Endotoxin-Erfahrung in den letzten Jahren im Rahmen eines größeren Kundenprojektes sammeln durfte…

 

Mein Fazit

Vielleicht ist das durch obige Erläuterungen nicht ganz so deutlich herausgekommen, aber meine eigene Erwartungshaltung dem Buch gegenüber wurde voll erfüllt. Obwohl mir das meiste bekannt war, hat mir das Lesen dieses Buches Spaß gemacht und manche Inhalte wurden aufgefrischt bzw. vertieft und manches war auch neu – passt also ;-)

Ich würde dieses Buch uneingeschränkt jedem empfehlen, der sich bereits ein wenig mit der Materie auskennt und einen breiten Überblick bekommen möchte.

 

Referenzen 

Parenteral Drug Association, Inc. (PDA) Technical Report No. 82 (2019). Low Endotoxin Recovery, ISBN: 978-1-945584-07-7