Einfluss von Polysorbat 20 auf den Filterintegritätstest eines PVDF-Sterilfilters

Geschrieben von Gastautor Veröffentlicht in Filtervalidierung

Im Rahmen der Freigabe von parenteralen Pharmazeutika muss nach der Abfüllung die Sterilität der Arzneimittel sichergestellt werden. Da eine direkte Überprüfung jedes abgefüllten Vials oder jeder Spritze nicht durchführbar ist, werden stattdessen die Sterilfilter auf ihre Integrität, genauer genommen ihren Porendurchmesser, überprüft. Nach den Vorgaben der WHO ist für eine Sterilfiltration ein Porendurchmesser von maximal 0,2 µm zulässig [1], entsprechend resultiert bei einer Filtration mit einem Sterilfilter mit einem Porendurchmesser kleiner / gleich 0,2 µm ein steriles Filtrat.

Der Porendurchmesser eines Sterilfilters wird mittels sogenannter Filterintegritätstests überprüft. Ein Beispiel eines solchen Filterintegritätstests ist der Bubble-Point-Test. Der Bubble Point eines Filters ist produktspezifisch und muss zuvor im Zuge einer Filtervalidierung ermittelt werden. Der ermittelte Bubble Point Wert wird dann als Integritätskriterium für den entsprechenden Sterilfilter für die Filtration dieses Arzneimittels festgesetzt und dient der indirekten Bewertung der Sterilität der filtrierten Lösung. Ein gemessener Bubble Point-Druck über oder gleich dem Integritätskriterium belegt eine gelungene Sterilfiltration.

Die Grundlage der Bubble Point-Messung ist das kapillare Verhalten der Nanoporen der Filtermembranen [2]. Die Poren eines flüssigkeitsbenetzten Filters füllen sich gemäß der Theorie des Kapillaraufstiegs ohne den Einfluss anderer äußerer Kräfte. Der Anstieg der Flüssigkeit in der jeweiligen Pore ist abhängig vom Kapillardurchmesser, dem Benetzungswinkel zwischen der Flüssigkeit und der Festphase sowie der Oberflächenspannung der Flüssigkeit [3]. Der benötigte Gegendruck, um die Flüssigkeit aus den Poren zu pressen, muss entsprechend höher als die in den Kapillaren wirkenden Kräfte sein. Der hierbei angewandte Druck wird als Bubble Point bezeichnet.

Ein Nachteil der Bubble Point-Methode ist die Annahme von konstanten Produktlösungs- und Filtereigenschaften. Bei einer Wechselwirkung der hoch komplexen pharmazeutischen Produktlösungen mit der Filtermembran kann es jedoch zu Veränderungen der Oberflächeneigenschaften des Filters oder der Flüssigkeitseigenschaften kommen. Dies kann den Bubble Point-Druck verfälschen, was zu Problemen bei der Freigabe der filtrierten Arzneimittelcharge führen kann. Ein oft verwendeter Hilfsstoff in Arzneimitteln ist Polysorbat 20. Dieses besitzt das Potential den Bubble Point-Druck zu verändern, wie im Folgenden erläutert wird. Polysorbat 20 ist ein amphiphiles Molekül, welches an den Oberflächen von PVDF-Sterilfiltern adsorbieren kann [4]. Amphiphile Moleküle können die Oberflächenspannung einer Lösung herabsetzen. Da der Bubble Point eine Funktion der Oberflächenspannung ist, liegt die Vermutung nahe, dass eine Adsorption des amphiphilen Moleküls Polysorbat 20 an die Filtermembran eine Veränderung des Bubble Points zur Folge haben könnte. Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde diese Hypothese untersucht und bewiesen.

 

Experimenteller Aufbau

Zur Generierung der Ergebnisse wurde eine Polysorbat 20 enthaltende Placebolösung (gleiche Zusammensetzung wie ein Arzneimittel, jedoch ohne den Wirkstoff) über einen PVDF-Sterilfilter zirkuliert. Aus einem Sammelbehälter wurden in einem Zeitraum von 48 Stunden zu bestimmten Zeitpunkten Proben gezogen und deren Polysorbat 20-Konzentration bestimmt. Zeitgleich wurde der Bubble Point-Druck gemessen. Außerdem wurden die Konzentrationen verschiedener Polysorbat-Einzelkomponenten (verschiedene freie Fettsäuren) untersucht. Insgesamt wurde der Versuch viermal durchgeführt.

 

Ergebnisse und Diskussion

Sowohl für den Verlauf des Bubble Points als auch für die Polysorbat 20-Konzentration wurde ein exponentieller Abfall mit zeitlich ähnlichen Charakteristika in allen Versuchen beobachtet. Abbildung 1 zeigt exemplarisch den Verlauf beider Messgrößen von einem der Versuche.

Abbildung 1: Verlauf gemessener Bubble Point Werte und Polysorbat 20-Konzentration. Aufgrund von Geheimhaltungsverpflichtungen ist die Skalierung der y-Achse nicht dargestellt.

 

Verlauf der Polysorbat 20-Konzentration

Die Reduktion der gemessenen Polysorbat 20-Konzentration kann auf die Adsorption am Filter zurückgeführt werden [4,5]. Durch die Adsorption wird der Lösung Polysorbat 20 entzogen. Ein exponentieller Abfall ist durchaus typisch für die Adsorption von Molekülen an einen Festkörper. Es handelt sich dabei um eine Gleichgewichtsreaktion, die sich aus zwei Reaktionen zusammensetzt: der Adsorption und der Desorption. Anfangs sind die Bindungsstellen des Filters unbesetzt und die Gesamtheit der Polysorbat 20-Moleküle befindet sich in Lösung. Die Reaktion zur Seite der adsorbierten Teilchen überwiegt stark, was zu einem starken Abfall der Polysorbat 20-Konzentration führt. Umso mehr Moleküle die Bindungsstellen des Filters besetzen, umso mehr Teilchen desorbieren. Der Konzentrationsabfall wird geringer und nähert sich einem Grenzwert an. Ab diesem Grenzwert desorbieren und adsorbieren die gleiche Anzahl an Molekülen. Das namensgebende Gleichgewicht der Reaktion ist erreicht.

 

Einfluss von Polysorbat 20 auf den Bubble Point

Analog zum exponentiellen Abfall der Polysorbat 20-Konzentration sind auch die Bubble Point-Werte gesunken. Gemäß dieser Beobachtung ist der Bubble Point-Wert abhängig von der Menge an adsorbierten Polysorbat 20-Molekülen. Mit erhöhter Adsorption von Polysorbat 20 auf der Filteroberfläche sinkt der Bubble Point. Doch was ist der zu Grunde liegende Mechanismus? Gemäß der Laplace-Young-Gleichung führen drei Ursachen zu erniedrigten Bubble Point-Drücken:

  1. eine Verringerung der Oberflächenspannung,
  2. eine Erhöhung des Benetzungswinkels und
  3. ein vergrößerter Porendurchmesser.

Bei der Adsorption von Stoffen in einer Pore kommt es zur Erniedrigung des Porendurchmessers, daher kann eine Vergrößerung des Porendurchmessers als Ursache ausgeschlossen werden. Nach Zhou et. al. [4] ist die Polysorbat 20-Adsorption von hydrophobem Charakter, d.h. durch hydrophobe Anlagerung an der Filtermembran werden die polaren Köpfe von Polysorbat 20 zum wässrigen Medium präsentiert. Durch eine solche Polarisierung der Oberfläche wird der Benetzungswinkel erniedrigt. Entsprechend kann auch dies als Ursache ausgeschlossen werden und der beobachtete Abfall des Bubble Points bei Polysorbat 20 Adsorption muss demnach durch eine Verringerung der Oberflächenspannung bedingt sein.

Wie bereits eingangs erwähnt, haben amphiphile Moleküle wie Polysorbat 20 aufgrund ihrer Struktur die Eigenschaft, die Oberflächenspannung von Lösungen zu reduzieren. Daher bestimmt die Polysorbat 20-Konzentration maßgeblich die Oberflächenspannung der Lösung. Eine erhöhte Polysorbat 20-Konzentration führt zu einer verringerten Oberflächenspannung, vorausgesetzt, die amphiphilen Moleküle befinden sich in Lösung. Bei einer Adsorption an der Filteroberfläche werden der Lösung jedoch Polysorbat 20-Moleküle entzogen. Die beobachteten reduzierten Bubble Point Werte müssen daher auf einem weiteren Phänomen beruhen, welches zu einer Anreicherung von gelöstem Polysorbat 20 in Filternähe geführt hat.

Eine Möglichkeit der Anreicherung wäre ein Rückhalt gelöster Polysorbat 20-Moleküle in Filternähe. Nach Nayem et. al. [6] bilden sich die größten Polysorbat 20-Mizellen mit einem Trägheitsradius von 2,94 nm. Der Radius der Sterilfilter beträgt jedoch 100 nm und ermöglicht den Mizellen daher die Membran zu passieren. Entsprechend ist ein mechanischer Rückhalt unmöglich. Eine Anreicherung durch unbekannte Wechselwirkungen von einzelnen Polysorbat 20-Komponenten nach Filterabsättigung kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse von Mahler et. al. [7] zeigen, dass sich die Zusammensetzung von Polysorbat bei Filtration mit Polysorbat 20-abgesättigten PVDF-Sterilfiltern nicht ändert. Bei einem Rückhalt durch verschiedenste Wechselwirkungen müsste sich jedoch die Polysorbat 20-Zusammensetzung aufgrund der unterschiedlichen Interaktionen und Affinitäten der einzelnen Komponenten mit dem abgesättigten Filter ändern. Dies ist im Zuge dieser Arbeit nicht beobachtet worden, da keine Änderungen der Konzentrationen der untersuchten freien Fettsäuren festgestellt wurden.

Einen weiteren Einfluss auf den Filter verübt die Bubble Point Messmethode. Aufgrund der Druckbeaufschlagung mit unpolarem Stickstoff ist es für die adsorbierten Polysorbat 20-Moleküle thermodynamisch ungünstig, hydrophob an den Filter adsorbiert zu sein, da die polaren Köpfe zur unpolaren Gasphase zeigen würden. Stattdessen desorbieren sie von der Filteroberfläche und gehen in Lösung. Die Konzentration an freien Polysorbat 20-Molekülen in den Poren steigt stark an. Die örtliche Konzentrationserhöhung in der Pore führt wiederum zur erniedrigten Oberflächenspannung. Der Effekt wird durch die Anzahl an adsorbierter Polysorbat 20-Moleküle verstärkt. Somit werden die geringsten Bubble Point-Drücke bei der maximalen Anzahl an adsorbierten Polysorbat 20-Molekülen erreicht. Als Nebeneffekt wird durch die Desorption der Polysorbat 20-Moleküle der natürliche Benetzungswinkel und Porendurchmesser des Filters wiederhergestellt. Die Folge ist der beobachtete Abfall des Bubble Points.

 

Fazit

Der Einfluss von adsorbiertem Polysorbat 20 auf den Bubble Point-Wert konnte durch die Ergebnisse bewiesen werden. Der zu Grunde liegende Mechanismus bleibt jedoch weitgehend ungeklärt, könnte jedoch durch das Wechselspiel von Adsorption und Desorption bedingt sein. Diese Hypothese gilt es in weiteren Arbeiten zu überprüfen.

 

Referenzen

[1] WHO (2011). Annex 6 WHO good manufacturing practices for sterile pharmaceutical products, Technical Report Series, 961:261-284.

[2] Jornitz M.W., Agalloco J.P., Akers J.E., Madsen R.E., Meltzer T.H. (2001). Filter Integrity Testing in Liquid Applications, Revisited, Pharmaceutical Technology, Vol. 25 (10):34–50

[3] Jornitz M.W. (2006). Integrity Testing. in Scheper T., Jornitz M.W., Sterile Filtration: Advances in biochemical engineering / biotechnology, Vol. 98: 143–180.

[4] Zhou J. X., Qiu J., Jiang G., Zhou C., Bingham N., Yeung H., Dransart B., Wadhwa M-V., Tressel T. (2008). Non-specific binding and saturation of Polysorbate-20 with aseptic filter membranes for drug substance and drug product during mAb production, Journal of Membrane Science, Vol. 325 (2):735–741.

[5] Lei M., Sugahara J., Hewitt D., Beane D., Jayakar R., Cornell C., Skidmore K., Kao Y.H., Ji J. (2013). The effects of membrane filters used in biopharmaceutical processes on the concentration and composition of polysorbate 20, Biotechnology progress, Vol. 29 (6):1503–1511.

[6] Nayem J., Zhang Z., Tomlinson A., Zarraga I.E., Wagner N.J., Liu Y. (2020). Micellar Morphology of Polysorbate 20 and 80 and Their Ester Fractions in Solution via Small-Angle Neutron Scattering, Journal of Pharmaceutical Sciences, Vol. 109 (4):1498–1508.

[7] Mahler H.C., Huber F., Kishore R.S., Reindl J., Rückert P., Müller R. (2010). Adsorption behavior of a surfactant and a monoclonal antibody to sterilizing-grade filters, Journal of Pharmaceutical Sciences, Vol. 99 (6):2620–2627.

 

Über den Autor

Kilian Rauscher hat an der Hochschule Darmstadt Biotechnologie studiert, im Rahmen des Studiums ein mehrmonatiges Praktikum mit dem Schwerpunkt Disposables in der pharmazeutischen Industrie absolviert und sich im Zuge seiner Bachelorarbeit mit dem Einfluss von Polysorbat 20 auf den Filterintegritätstest eines PVDF-Sterilfilters beschäftigt. Sein Studium setzt er im kommenden Semester in Form des Masterstudiums molekulare Biotechnologie an der TU München.