Mehrfachnutzung von Sterilfiltern?

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in Filtervalidierung

 

Vor einiger Zeit hat mich eine sehr interessante Anfrage erreicht, die ich zum Anlass für diesen Blogbeitrag nehmen möchte.

 

Die Fragestellung

Gemäß dem Entwurf zum überarbeiteten Annex 1 „Manufacture of Sterile Medicinal Products“ des EU GMP-Leitfadens sollen Sterilfilter nach ihrer Verwendung verworfen werden. Ihre Mehrfachnutzung wird ausgeschlossen, ausgenommen, dass eine Nutzung für mehr als einen Arbeitstag validiert wurde. Diese Formulierung ist nicht gerade eindeutig. Wie also sollen wir folgende Forderung „Liquid sterilizing filters should be discarded after the processing of a single lot. The same filter should not be used for more than one working day unless such use has been validated.“ (8.89) interpretieren?

Auch diese Frage kann auf zwei Arten verstanden werden. Einerseits kann es sein, dass wir daran denken, wann es notwendig sein kann, eine Produktlösung mehrfach zu filtrieren und andererseits kann man überlegen, ob man nicht mit einem Filter mehrere Chargen des gleichen Produktes filtrieren dürfte.

 

Warum kann es nötig sein, die gleiche Produktlösung zweimal zu filtrieren?

Bei der Herstellung von Parenteralia erfolgen zwei Filtrationen, für die jeweils ein Sterilfilter eingesetzt wird. Die erste dieser beiden Filtrationen ist eine sogenannte Bioburden-Filtration. Sie dient dazu, den generellen, üblicherweise sowieso sehr geringen Keimgehalt der zu filtrierenden Lösung zu reduzieren. Die zweite der beiden Filtrationen ist die eigentliche Sterilfiltration der Produktlösung am Ende. Sie findet direkt vor / an der Abfüllmaschine zu Beginn der Abfüllung statt.

Es ist leicht einzusehen, dass aus technischen Gründen keine Refiltration bei der zweiten Filtration möglich ist, da ja die Produktlösung in ihre Endbehältnisse (Vials, Spritzen etc.) abgefüllt wird, was eine Rückführung ausschließt.

Bei der Bioburden-Filtration ist dagegen eine Refiltration möglich, da ja die Produktlösung nach ihrem Compounding nur aus einem Kessel in einen weiteren Kessel umgefüllt und dabei filtriert wird. Eine Refiltration kann z.B. im Rahmen von auftretenden Abweichungen notwendig werden. So könnte man sich folgendes Szenario vorstellen:

  • Ein Teil der Produktlösung ist bereits über den Filter geflossen…
  • Es gibt eine Produktionsstörung (aus welchen Gründen auch immer, aber der Filter und die Sterilität der Anlage sind nicht betroffen) und die Produktion wird unterbrochen. Diese Unterbrechung dauert ein paar Stunden, aber weniger als einen Tag.
  • Das Problem ist behoben und die restliche Produktlösung fließt über den gleichen Bioburden-Filter.

Ein anderes Szenario könnte ein nicht bestandener Filterintegritätstest des Bioburden-Filters nach durchgeführter Filtration sein. In diesem Falle würde man den Filter austauschen und die Produktlösung nochmal über einen neuen Bioburden-Filter filtrieren. Für die Produktlösung bedeutet dies, dass sie eine zusätzliche Filtration erfährt.

Hm, da höre ich doch gleich die Alarmglocken läuten. Richtig, natürlich sollte vor Durchführung solcher Aktivitäten die Anzahl erlaubter Re- / Mehrfachfiltrationen im Zuge der Filtervalidierung ermittelt worden sein, um einen potentiellen Einfluss auf die Produktqualität ausschließen zu können. Wiederholte Filtrationen sollten schließlich nicht dazu führen, dass potentielle Scherkräfte das Produkt schädigen oder es zu Inkompatibilitäten mit der Filtermembran (wie z.B. Protein- oder Polysorbat-Adsorption) kommt.

 

Kann man mit demselben Filter mehrere Chargen des gleichen Produktes filtrieren?

Stellen wir uns vor, wir würden mit ein und derselben Sterilfilter mehrere Chargen des gleichen Produktes filtrieren. Wir setzen den Sterilfilter z.B. fünfmal nacheinander ein und führen daher fünfmal folgende Schritte durch: Filterintegritätstest pre-use, Sterilisation des Filters, Durchführung der Sterilfiltration der jeweiligen Charge, Spülen des Filters mit WFI, Filterintegritätstest post-use mit WFI benetzt, Trocknung des Filters und schließlich Einlagerung des Filters bis zur nächsten Nutzung, solange bis die vom Hersteller angegebene maximale Dampfexpositionszeit erreicht ist. Dabei besteht der Sterilfilter jedes Mal den Filterintegritätstest post-use, wodurch wir den Nachweis haben, dass die Integrität des Filters gegeben war und jede Charge steril sein sollte. Ist dieses Szenario mit dem Wortlaut aus Annex 1 zu vereinbaren?

Leider kann der Wortlaut aus Annex 1 so gedeutet werden, dass ein Sterilfilter generell nur 1x eingesetzt werden darf, was aus wissenschaftlicher Sicht bei durchweg bestandenen Integritätstests nicht gerade nachvollziehbar ist… Ist dies wirklich so gemeint?

Es stellt sich also die Frage, wie dazu der behördliche Standpunkt ist und was wir an Informationen in anderen regulatorischen Dokumenten finden können.

Leider sind auch die FDA Guidance for Industry „Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing - Current Good Manufacturing Practice” von 2004 sowie der technische Report 26 “Sterilizing Filtration of Liquids” der PDA von 2008 diesbezüglich nicht unbedingt eindeutig:

  • After a filtration process is properly validated for a given product, process, and filter, it is important to ensure that identical filters (e.g., of identical polymer construction and pore size rating) are used in production runs. Sterilizing filters should be routinely discarded after processing of a single lot. However, in those instances when repeated use can be justified, the sterile filter validation should incorporate the maximum number of lots to be processed.
  • Filter reuse is typically not practical or recommended for pharmaceutical purposes. However, if a sterilizing-grade filter is reused, justification should be provided, and reuse parameters should be validated.

Hier findet sich zwar auch die einmalige Verwendung wieder, allerdings ebenfalls die Möglichkeit der Mehrfachnutzung, wenn dies begründet werden kann und entsprechende Validierungsdaten vorliegen.

Da es mich doch sehr interessiert hat, wie dies schließlich praktisch in unterschiedlichen pharmazeutischen Firmen gehandhabt wird, habe ich mich in meinem Netzwerk ein wenig umgehört. Jedoch ist keiner der von mir kontaktierten Personen (in Deutschland, der Schweiz und den USA) eine Verwendung des gleichen Filters für mehrere Chargen bekannt. Möglicherweise könnte risikobasiert abgeschätzt werden, ob ein bereits für die finale Sterilfiltration eingesetzter Filter für eine neue Bioburden-Filtration der nächsten Charge wiederverwendet werden könnte… Falls eine Mehrfachnutzung (egal in welcher Form) gemacht werden sollte, so muss diese auf jeden Fall durch Validierungsdaten belegt werden, wie wir aus der Literatur ja auch schon erfahren haben. Diese sollten auf jeden Fall die weiterhin unbeeinträchtigte Fähigkeit des Filters zur Bakterienrückhaltung belegen und auch potentielle Leachables berücksichtigen. Eine ehemalige Mitarbeiterin eines Filterherstellers hat vom praktischen Aspekt keine Bedenken und stimmt zu, dass solange der Filterintegritätstest nach Abfüllung bestanden wird und die maximale vom Hersteller angebende "Benutzungsdauer" nicht überschritten wird und entsprechende Validierungsdaten vorliegen, eigentlich nichts dagegen spräche... Dennoch scheint eine solche Mehrfachnutzung nicht oder äußerst selten gelebt zu werden… was möglicherweise auf eine vielleicht nicht unbegründete Angst vor potentiellem bakteriellen Durchwachsen oder Biofilmbildung bei unzureichender Spülung und nicht angewendeter Trocknung oder doch nicht detektierbarer Beschädigung der Filtermembran oder einfach zu großem Validierungsaufwand zu beruhen vermag… Von behördlicher Stelle habe ich keine Rückmeldung erhalten.

 

Zusammengefasst können wir festhalten, dass eine Mehrfachfiltration der gleichen Produkt-Charge mit demselben oder unterschiedlichen Filtern möglich ist, wenn dies im Rahmen der Filtervalidierung abgedeckt wurde, allerdings der Einsatz eines Filters für die Filtration mehrerer Chargen eher unüblich zu sein scheint, aber nicht verboten ist, wenn man entsprechende Validierungsdaten sowie Begründung aufweisen kann.