Modifizierte Bakterienrückhaltetests - was tun bei bakterizider Produktlösung?

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in Filtervalidierung

Bei Pharma-Unternehmen, deren Produktherstellung unter aseptischen Bedingungen erfolgt, gehört die Sterilfiltration im letzten Schritt vor der Abfüllung einfach dazu. Die Validierung des Herstellprozesses umfasst dabei auch den Schritt der Sterilfiltration. Entsprechend muss im Rahmen der Filtervalidierung nachgewiesen werden, dass der Filter in der Lage ist, Bakterien zurück zu halten und damit die Keimfreiheit des Produkts zu gewährleisten. Dieser Nachweis wird mit einem Bakterienrückhaltetest oder auch bakteriellem Belastungstest gemäß ASTM F838-20 erbracht. Bevor dieser Bakterienrückhaltetest jedoch durchgeführt werden kann, muss zuvor mit einem Viabilitätstest geprüft werden, dass die zu testende Produktlösung keinen negativen Effekt auf das im Bakterienrückhaltetest eingesetzte Bakterium hat. Das hört sich kompliziert an? Das soll es nicht – stellen Sie sich einfach vor, was wäre, wenn Ihre Produktlösung das Testbakterium töten würde…

Dann wüssten Sie im Bakterienrückhaltetest nicht, ob Sie ein steriles Filtrat erhalten, weil der Filter seinen Job gut gemacht hat oder ob Ihre Produktlösung die Bakterien getötet hat.

 

Die Viabilitätsstudie

Kommen wir also zurück zur Viabilitätsstudie. Bei dieser Studie wird das im Bakterienrückhaltetest einzusetzende Bakterium Brevundimonas diminuta mit der Produktlösung inkubiert für eine Zeitdauer, die mindestens der Zeit des realen Filtrationsprozesses in der Produktion entspricht und unter den gleichen Temperaturbedingungen. Wenn Ihre Produktlösung nicht bakterizid sein sollte, wird es den Bakterien prächtig gehen und der anschließende Bakterienrückhaltetest des Filters kann so konzipiert werden, dass eine direkte Inokulation der Bakterien in die Produktlösung erfolgen darf.

Was aber, wenn beim Viabilitätstest festgestellt wird, dass es den Bakterien nicht so gut geht? Damit wollen wir uns heute eingehender beschäftigen. Da sind zwei Szenarien vorstellbar:

  1. Es geht den Bakterien nicht wirklich gut, aber sie dümpeln so vor sich hin. Wissenschaftlicher ausgedrückt ist dies der Fall, wenn es zwar zu einer Reduktion der Bakterienanzahl gekommen ist, aber nicht um mehr als 1 log-Stufe.
  2. Sie sind komplett tot.

In beiden Fällen kann der Bakterienrückhaltetest nicht wie in ASTM F838-20 mit direkter bakterieller Beimpfung der Produktlösung erfolgen, da dies wie bereits oben erklärt zu falsch negativen Ergebnissen führen würde. Daher sind für die Durchführung des Bakterienrückhaltetests verschiedene alternative Testdesigns im PDA Technical Report Nr. 26 beschrieben.

 

Alternative Testdesigns des Bakterienrückhaltetests

Im Falle von 1. „beeinträchtigter Viabilität“ gibt es die Möglichkeit, herauszufinden, wie lange die Bakterien lebensfähig sind. Wenn dies dann bekannt ist, kann der Bakterienrückhaltetest so aufgesetzt werden, dass der Filter zunächst ohne die Bakterien „präkonditioniert“ wird und erst anschließend die Bakterien für eine reduzierte Testzeit zugesetzt werden. Sagen wir, die Zeit der Filtration in der Produktion würde 72 h dauern, die Bakterien überleben in der Produktlösung aber nur 14 h. Dann würde man eine Präkonditionierung des Filters für mind. 58 h mit der Produktlösung machen und anschließend für die verbleibenden 14 h die Bakterien direkt inokulieren, womit die Bakterien überlebensfähig bleiben und dennoch die Gesamtprozesszeit (58 h + 14 h = 72 h) abgedeckt ist.

Im Falle von 2. "kompletter antimikrobieller Wirkung" kann es an der Produktlösung selbst oder den angewandten Prozessbedingungen gelegen haben. Beides gilt es zu untersuchen.

Bei bakterizid wirkenden Prozessbedingungen kann man sich beispielsweise eine zu hohe Temperatur vorstellen. So kann es aus welchen Gründen auch immer nötig sein, in der Produktion die Sterilfiltration bei 4°C durchzuführen. Brevundimonas diminuta, welches optimales Wachstum bei 28 - 30°C zeigt, fühlt sich nun bei 4°C überhaupt nicht wohl (Bergey's Manual of Systematic Bacteriology). In einem solchen Falle wird der Filter unter den realen Prozessbedingungen (hier also 4°C) mit der Produktlösung über die gesamte Prozessdauer präkonditioniert und anschließend erfolgt eine direkte Inkubation der Bakterien in der Produktlösung unter modifizierten Testmethodenparametern (hier also 30°C). Die übrigen Prozessbedingungen brauchen dabei natürlich nicht verändert werden.

Falls die bakterizide Wirkung vom Produkt selbst ausgegangen ist, gilt es die bakterizide Komponente zu identifizieren. Das kann z.B. auch der pH-Wert sein. So kann man sich ein recht saures Produkt mit einem pH-Wert von 4 vorstellen, B. diminuta fühlt sich jedoch im neutralen Bereich (also um pH 7) am wohlsten. Für die Durchführung des Bakterienrückhaltetests wäre es dann eine Möglichkeit, dafür das Produkt mit einem auf 7 modifizierten pH-Wert einzusetzen, wenn es das Produkt mitmacht. Dann wäre eine direkte Inokulation und Durchführung unter ansonsten normalen Prozessbedingungen möglich.

Wenn ein Bestandteil der Produktzusammensetzung die bakterizide Wirkung entfaltet hat, ist es sinnvoll diesen Bestandteil zu entfernen und ein Surrogat einzusetzen, welches der Produktlösung natürlich trotz Abwesenheit der bakteriziden Komponente so ähnlich wie möglich sein sollte. Mit solch einer modifizierten Produktzusammensetzung ist dann der Bakterienrückhaltetest mit direkter Bakterien-Inokulation und Anwendung der Prozessbedingungen durchführbar. Des Weiteren - falls die bakterizide Wirkung nur B. diminuta betrifft - gibt es die Möglichkeit anstelle von B. diminuta einen anderen Testkeim zu verwenden, wie ein sehr kleines Isolat der Hausflora.

 

Zusammengefasst gibt es also die folgenden Möglichkeiten alternativer Testdesigns:

  • Reduzierte Testzeit bei eingeschränkter Viabilität
  • Veränderung der Prozessbedingungen
  • Veränderung der Produktzusammensetzung
  • Verwendung eines anderen Testkeims