Was versteht man unter Spezifikationen und wozu braucht man sie?

Geschrieben von Anindya Ghosh Roy Veröffentlicht in Über den Tellerrand...

Während der Entwicklung eines neuen Arzneimittels muss das Qualitätskontrolllabor Spezifikationen für das gewünschte Arzneimittel und sein "Drum-Rum" festlegen. Spezifikationen sind eine Liste vordefinierter Kriterien und der dazugehörigen Testmethoden, die für die Analytik verwendet werden sollen. Sie definieren eine Reihe von Kriterien, denen das Material (Rohmaterial, Zwischenprodukt, Arzneimittelwirkstoff, Hilfsstoffe, Fertigarzneimittel, Primärverpackungsmaterial usw.) entsprechen muss, damit es für die beabsichtigte Verwendung in Betracht kommt, sprich: Spezifikationen dienen der Bewertung der Qualität dieser Materialien.

Gemäß AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) sind Spezifikationen "Festlegungen und Anforderungen, denen Ausgangsstoffe oder Zwischenprodukte für die Arzneimittel- oder Wirkstoffherstellung, Wirkstoffe, Arzneimittel oder Gewebe entsprechen müssen; sie dienen als Grundlage der Qualitätsbewertung" (AMWHV §2 Abs. 5).

Eine Spezifikation für ein neues z.B. biotechnologisches Fertigarzneimittel kann als Entwurf basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen erstellt werden, wird jedoch angepasst, nachdem die Schwankungsbreite des Produkts bei den vordefinierten Parametern bekannt ist (z.B. nach der Herstellung von Pilotchargen und unter Berücksichtigung der Variabilität der Testmethoden). Für die Spezifikationen von Ausgangsstoffen ist es meist nicht so kompliziert, da viele der „üblichen“ Ausgangsstoffe als Monografien in den Arzneibüchern, z.B. dem Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.), enthalten sind und somit Vorgaben über deren Anforderungen existieren, die dann übernommen (± ergänzt) werden können bzw. auf die verwiesen werden kann. Auch die Spezifikationen von vielen („einfachen“) chemischen Arzneimitteln und Impfstoffen, die bereits im Arzneibuch gelistet sind, basieren auf den jeweiligen dortigen Monografien. Spezifikationen sind Bestandteil der bei den Behörden einzureichenden Zulassungsunterlagen.

Spezifikationen können für folgende Materialien oder Prozessschritte erstellt werden:

  • Rohstoffspezifikationen: Kontrolle der Qualität eingehender Rohmaterialien und z.B. Primärverpackungsmaterialien
  • In-Prozess-Spezifikationen: Kontrolle der Qualität von In-Prozess-Intermediaten
  • Freigabe-Spezifikationen: Kontrolle der Qualität des aktiven pharmazeutischen Bestandteils (active pharmaceutical ingredient, API, Wirkstoff), z.B. im Falle eines Wirkstoffherstellers sowie des späteren Fertigarzneimittels
  • Stabilitätsspezifikationen: Kontrolle der Qualität während Stabilitätsstudien (mit definierten stabilitätsanzeigenden Testmethoden zu definierten Zeitpunkten während der angegebenen Haltbarkeit des Produktes)
  • etc.

Nachdem das (neue) Medikament von den Behörden zugelassen wurde und durch den pharmazeutischen Betrieb hergestellt wird, erfolgt für jede produzierte Arzneimittelcharge eine Freigabeprüfung. Im Zuge dessen werden die in der Spezifikation definierten Testmethoden angewendet, um die Qualitätsmerkmale (oft auch als (kritische) Qualitätsattribute bezeichnet, sogenannte CQAs – von critical quality attributes) des Produkts zu analysieren. Dabei können parametrische (aus einer Messung resultiert ein Zahlenwert) und attributive (aus einem Vergleich gegen einen Prüfplan resultiert „entspricht“ oder „entspricht nicht“) Prüfungen zur Anwendung kommen. Dies erfolgt während der Qualitätskontrolle (quality control, QC). Nach vollständiger Analyse wird vom Leiter der QC-Abteilung ein Analysenzertifikat (Certificate of Analysis, CoA) ausgestellt. Ein Analysenzertifikat ist der dokumentierte Nachweis, der die Einhaltung des Produkts gemäß Spezifikation bestätigt, indem gezeigt wird, dass die bei der Qualitätsprüfung der Charge erhaltenen Werte innerhalb der definierten Kriterien liegen, fachmännisch gesagt „spezifikationskonform“ sind. Falls dem mal nicht so sein sollte und man also nicht-spezifikationskonforme Ergebnisse, sogenannte OOS-Ergebnisse (von out of specification) erhält, so ist der Ursache dafür auf den Grund zu gehen. Weitere Details finden sich in diesem Beitrag. Und wenn wir nicht nur einen Blick nach Ende einer Produktion, sondern auch auf deren Anfang bzw. sogar davor werfen wollen, so gilt Gleiches natürlich auch für die bei der Produktion einzusetzenden Rohstoffe: Vor dem Start der Produktion werden von allen angelieferten Rohstoffen je Charge Proben gezogen, diese im Rahmen der Wareneingangskontrolle mit den entsprechenden Prüfmethoden analysiert, die erhaltenen Ergebnisse mit der Spezifikation verglichen und nur wenn alle Anforderungen erfüllt sind, dürfen die Rohstoffe für die Produktion des Arzneimittels eingesetzt werden und sind dafür freigegeben. Gleiches gilt z.B. auch für die bei den Testmethoden einzusetzenden Reagenzien, die nach ihrer Eingangskontrolle z.B. durch Aufkleben eines grünen Etiketts als freigegeben gekennzeichnet werden können. Meist ist es aber auch etwas einfacher, da viele Hersteller ihre Rohstoffe oder Reagenzien bereits bei sich auf die Übereinstimmung mit den Monografie-Vorgaben prüfen und dann ein entsprechendes Analysenzertifikat mitliefern, welches anschließend im Zuge der Wareneingangskontrolle lediglich überprüft wird.

 

Zusammengefasst können wir sagen, dass in einer Spezifikation die Anforderungen an ein bestimmtes Material  aufgeführt werden. Es geht hervor, für welches Material (ggf. für welche Dosierungsform des Arzneimittels) die Spezifikation gilt und welche Parameter mit welchen Grenzwerten einzuhalten sind. So werden in einer Spezifikation eines Fertigarzneimittels - je nach Produkt – z.B. u.a. Angaben zum (Protein-) Gehalt, zur Reinheit, zur Identität, zur Wirksamkeit, zur Anzahl sicht- und nicht sichtbarer Partikel gemacht und die Testmethoden genannt, mit denen diese Parameter im Rahmen der Freigabe- und / oder Stabilitätsuntersuchung abzuprüfen sind.