Was sind "drug substance" und "drug product"?

Geschrieben von Anindya Ghosh Roy Veröffentlicht in Über den Tellerrand...

Wenn Sie in der Pharmaindustrie arbeiten oder in irgendeiner Form damit zu tun haben, müssen Sie auf die Begriffe Wirkstoff, Fertigarzneimittel und Hilfsstoffe gestoßen sein. Obwohl es einfach ist, machen viele Leute offensichtliche Fehler damit. In diesem Artikel geben wir einen kurzen Überblick über diese Begriffe mit Beispielen.

 

Wirkstoff (drug substance, DS)

Der Wirkstoff ist das reine Material, das die pharmakologische Wirkung hervorruft. Er ist der wichtigste Bestandteil eines jeden auf dem Markt verfügbaren Medikaments. Er ist auch bekannt als Active Pharmaceutical Ingredient (API). Zum Beispiel ist in der Ortoton-Packung, die 750 mg Methocarbamol enthält, das Methocarbamol der Wirkstoff. Im Zusammenhang mit pharmazeutischer Qualitätskontrolle ist die Identität, der Gehalt und die Wirksamkeit des Wirkstoffes mit validierten Analysemethoden zu belegen.

Gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) sind Wirkstoffe folgendermaßen definiert: "Wirkstoffe sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden." (AMG §4 Abs. 19).

 

Fertigarzneimittel (drug product, DP)

Das Fertigarzneimittel ist das Endprodukt eines Arzneimittels, das auf dem Markt erhältlich und gebrauchsfertig ist, also inklusive seiner Verpackung (siehe auch unten). Ein Wirkstoff muss aufgrund mehrerer Faktoren (Empfindlichkeit, Stabilität usw.) mit anderen Komponenten gemischt werden, bevor es in fertiger Formulierung als Fertigarzneimittel auf den Markt zur Verwendung gebracht werden kann. Bei dem oben genannten Beispiel enthält die auf dem Markt befindliche Ortoton-Tablette Substanzen wie Natriumdodecylsulfat (SDS), Titaniumdioxid, Magnesiumstearat und andere. Der Wirkstoff zusammen mit den zugesetzten Bestandteilen (= Hilfsstoffe, siehe nächster Abschnitt) in seiner Verpackung wird Fertigarzneimittel genannt.

Das AMG definiert Fertigarzneimittel wie folgt: "Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden." (AMG §4 Abs.1)

 

 

Hilfsstoffe

Dies sind die zusätzlichen Substanzen, die zu dem Wirkstoff hinzugefügt werden, um das Fertigarzneimittel herzustellen. Die Hilfsstoffe können unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und für verschiedene Zwecke verwendet werden. Sie können z.B. Füllmaterialien sein, um die erforderliche Masse im Falle von niedrig konzentrierten Wirkstoffen zu erreichen oder Bindemittel, um eine gute mechanische Festigkeit zu ermöglichen oder Beschichtungsmittel. Weitere Funktionen können z.B. eine Magensaftresistenz durch magensäurestabile Filmüberzüge, eine verlängerte Haltbarkeit durch Konservierungsmittel oder auch „Geschmackskorrektur“ durch Süßstoffe in z.B. Hustensäften für Kinder sein.

Im hiesigen Beispiel ist die Lactose ein typischer Füllstoff, der bei der Kapsel- und Tablettenherstellung vielfach verwendet wird. Povidon kann eine Funktion als Verdickungs- und Bindemittel bei der Granulierung ausgeübt haben, genauso wie Magnesiumstearat als Schmiermittel bei der Verarbeitung eingesetzt worden sein kann. Hypromellose ist ein übliches Material der Kapselhülle, genauso wie Titaniumdioxid, welches ihr als Weißpigment ihre Farbe verleiht. Da die anderen Bestandteile unterschiedliche Funktionen ausüben können, möchte ich hier nicht über ihre exakte Funktion spekulieren.

Hersteller, die Wirk- und Hilfsstoffe produzieren, welche im europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) aufgeführt sind, können sich ihren Herstellprozess vom EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines) zertifizieren lassen. Das Zertifikat belegt u.a., dass diese Stoffe auch problemlos mit den in der jeweiligen Monografie angegeben Testmethoden geprüft werden können. Es versteht sich von selbst, dass Arzneimittelhersteller natürlich bevorzugt solche zertifizierten Wirk- und Hilfsstoffe kaufen.

 

Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung und Verpackung

Neben den oben erläuterten Begriffen können einem noch weitere Begriffe über den Weg laufen. Aus dem Blickwinkel der Herstellung und späteren Verpackung sollten Bulkware, Halbfertig- und Fertigware unterschieden werden.

Sehen wir uns dies am Beispiel der Tablettenherstellung an. Nachdem alle Bestandteile gemischt, granuliert und getrocknet wurden, wird das Granulat in Tablettenform verpresst. Damit ist die Tablette an sich hergestellt, liegt aber noch einzeln unverpackt vor. Dies wird als Bulkware bezeichnet. [Anm. d. Red.: „Bulkware = Massenware (sprich: „balk“, nicht „bölk“…)“1] Nachdem die einzelnen Tabletten dann verblistert worden sind, spricht man von Halbfertigware (SEMP = semi-finished product). Wenn dann die Blister zusammen mit der Packungsbeilage in Faltschachteln verpackt worden sind, liegt das verpackte Fertigarzneimittel (FINP = finished product) vor.

 

1 Zitat aus dem Buch „Arzneibuchanalytik“ von Peter Imming. Es regt das ein oder andere Mal zum Schmunzeln an...