Buchvorstellung „Trending in der pharmazeutischen Industrie“

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in Über den Tellerrand...

Und weiter geht’s mit den Rezensionen der pharmazeutischen „essentials“-Bücher. Mit ungebrochener Begeisterung habe ich mich diesmal in das Buch „Trending in der pharmazeutischen Industrie“ von Patric U.B. Vogel, veröffentlicht 2020 bei Springer Spektrum, Wiesbaden (ISBN: 978-3-658-32206-9) gestürzt und einen gemütlichen Abend vorm Kamin verbracht.

 

Inhaltliches

In gewohnt schlanker Manier (54 Seiten) und mit bewährtem Konzept (Ein- und Ausstieg mit Bullet Points sowie kurzer Einleitung und abschließender Zusammenfassung, wie immer gut bebildert und mit fetten Schlagworten) präsentiert sich das Thema Trending auf verständliche Art und Weise. Dabei wird man als Leser langsam ans Thema herangeführt und erfährt zunächst Einiges über unterschiedliche Datentypen und verschiedene Arten von Trends, um dann nach tabellarischem und visuellem Trending in statistische Methoden wie Qualitätsregelkarten, Regressions- / Korrelationsanalyse und Trendtests einzusteigen. Im Verlauf des gesamten Buchs wird dabei ein eingangs vorgestelltes Beispiel eines zeitlichen Verlaufs an abgefüllten Arzneimittelchargen mit steter Gehaltszunahme inklusive Eintreten von Out of Specification (OOS)-Ergebnissen immer wieder aufgegriffen. Neben der Einleitung, die einen in die Pharma-Welt einführt und damit den Kontext schafft, wozu Trendanalysen gut sein können, wird der praktische Nutzen von Trending besonders im Kapitel zu den Out of Trend (OOT)-Analysen bei Stabilitätsstudien deutlich. Weiterer Anwendungsbezug ist in der statistischen Prozesskontrolle gegeben. Eine kurze Einführung in die regulatorischen Anforderungen fehlt ebenfalls nicht. Wenn ich das gesamte Buch Revue passieren lasse, so zeichnen die Inhalte der einzelnen Kapitel mit ihren Hintergründen ein aus meiner Sicht gutes Gesamtbild übers Trending und klären über das „Warum“ und „Wie“ auf.

 

Mein Eindruck

Als erstes möchte ich hervorheben, dass dieses Buch wie immer super-verständlich geschrieben ist und insbesondere die Erklärungen mit alltäglichen Beispielen wie Zugverspätungen, unterschiedlichen Haarfarben oder Körpergrößen solch ein doch eher statistisches Thema für jeden greifbar und verständlich machen, aber auch die aus dem pharmazeutischen Umfeld gewählten Beispiele (wie z.B. pH-Wert, Kühlschranktemperatur, Gehaltsbestimmung) sind einfach und meines Erachtens für jeden gut verständlich.

Vor dem Einstieg in die statistischen Methoden erfolgt eine Einführung in die mathematischen Grundlagen, wobei auch wirklich bei null gestartet wird. So wird z.B. die Normalverteilung erläutert zwecks Verständnisses für die Berechnung / Festlegung der Warn- und Eingriffsgrenzen von Qualitätsregelkarten oder die Geradengleichung bei der Regressionsanalyse, wenngleich eine Geradengleichung eigentlich den meisten Lesern durchaus (noch aus Schulzeiten) bekannt sein sollte, genauso wie die Tatsache, dass das Quadrieren negativer Zahlen zu positiven Ergebnissen führt… Für meinen Geschmack ist das etwas zu stark bei null angefangen, aber das mag wirklich auch Geschmackssache bzw. vom individuellen Wissensstand abhängig sein. Zumindest ist es dadurch auch für absolute Statistik-Neueinsteiger gut geeignet.

Inhaltlich hat mir besonders gut gefallen, dass bei der Vorstellung der einzelnen Trendmethoden auch auf die Vor- und Nachteile kurz eingegangen wird und dargestellte Szenarien kritisch hinterfragt werden. Des Weiteren lassen die Hinweise auf potenzielle Ursachen den Leser beim jeweiligen Problem nicht im Regen stehen und zeigen zudem auf, wie es weitergehen soll (Stichwort: Ursachenanalyse). Super ist auch, dass auf schwierigere, den Rahmen sprengende Dinge wie z.B. Trendanalysen für nicht-normalverteilte Merkmale nicht groß eingegangen wird, aber dafür die Referenz gegeben wird, so dass sich der Leser gegebenenfalls selbst informieren könnte. Das gefällt mir sehr. Ebenfalls super finde ich den Einbezug des Lesers, selbst über die gezeigten Daten nachzudenken. Insgesamt wird man als Leser sehr gut mitgenommen und braucht keinerlei Angst zu haben, dass das Thema zu trocken ist. Des Weiteren macht der Autor den Leser außerdem z.B. durch den Anriss von Risikoanalysen (zur Festlegung der zu betrachtenden Parameter) oder den Verweis auf die statistische Prozesskontrolle mit bestimmten Kennzahlen neugierig auf mehr.

Wo ich in anderen Rezensionen eine leicht schwammige Verwendung unterschiedlicher Begriffe angekreidet habe, so muss ich hier die gute Gegenüberstellung von OOS versus OOT hervorheben.

Allerdings weist auch dieses Buch, wie auch schon die beiden vorherigen Bücher, leider viele Rechtschreibfehler auf, wenngleich vielleicht subjektiv auch etwas weniger… Und eine mangelnde Gründlichkeit der Lektorin zeigt sich ebenfalls in diesem Buch, da u.a. eine nicht eingeführte Abkürzung verwendet wurde, bei der die Erklärung erst viel weiter hinten im Text erfolgt, eine Referenz einen fehlerhaften Titel hat, auf ein fehlendes Zitat eingegangen wird und eine Abbildung fehlerhaft beschriftet ist (was zu leichter Irritation unerfahrener Leser führen könnte). Zudem findet sich in einem Kapitel wieder eine wortgleiche Passage des vorherigen Buchs „Qualitätskontrolle von Impfstoffen“, was bei mir persönlich ja etwas negativ aufstößt…

Vielleicht mag die Temperaturaufzeichnung und -auswertung mit Datenloggern nach einem bestimmten Zeitraum nicht mehr ganz aktuell sein, vielleicht ist dieses Gefühl aber auch nur einer unterschiedlichen Handhabung unterschiedlicher Betriebe geschuldet, wenn anderswo bereits eine kontinuierliche Aufzeichnung und Übermittlung an ein Überwachungssystem in Echtzeit erfolgt...

Inhaltlich gibt es drei Kleinigkeiten, die mir auch noch aufgefallen sind. Erstens spricht der Autor davon, dass Trendanalysen immer wichtiger werden, liefert aber keinen Beleg dafür. Man weiß somit nicht, ob das nur seine persönliche Meinung ist oder woran er diese These fest macht. Zweitens hätte man erwähnen können, wie ein Datensatz auf Normalverteilung zu prüfen ist (beispielsweise mit einem Verweis auf einen Kolmogorow Smirnow Test bei kleiner Stichprobengröße) und drittens ist die „mittlere quadratische Abweichung aufeinander folgender Messwerte“ beim Trendtest nach Neumann im Text richtig, in der zugehörigen Tabelle aber verwirrend verwendet worden. Aber diese Punkte sind sicherlich Meckern auf hohem Niveau ????

 

Und als Abschlussfazit…

Trending, insbesondere die Anwendung von Qualitätsregelkarten, ist mir bislang zwar immer mal wieder – aber eher nur am Rande – über den Weg gelaufen, so dass dieses Buch für mich ein sehr guter Einstieg in ein leider vorher nur peripher gestreiftes Thema war. Neben oben angesprochenen Kleinigkeiten hat mir dieses Buch insgesamt sehr gut gefallen und ich würde es all jenen empfehlen, die über ihr eigenes Fachgebiet hinausschauen möchten sowie Neueinsteigern in die Pharma-Branche.