Verifizierung einer Arzneibuchmethode: Wasserbestimmung mittels Karl Fischer Titration

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in Methodenvalidierung

In Lyophilisaten pharmazeutischer Arzneimittel muss der Restfeuchtegehalt bestimmt werden. Dieser muss möglichst gering sein, um mögliche Abbaureaktionen während der Lagerung zu verzögern und damit die deklarierte Haltbarkeit zu gewährleisten. Eine solche Wasserbestimmung kann mit einer Karl Fischer Titration erfolgen. Diese Titrationsmethode ist ein weit verbreitetes Verfahren zur quantitativen Wasserbestimmung in einer Vielzahl von Proben und wurde 1935 von Karl Fischer entwickelt. Im europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) findet sich Kapitel 2.5.12 die volumetrische (Halbmikro-) Bestimmung und in Kapitel 2.5.32 die coulometrische Titration. Die Auswahl der Methodik richtet sich dabei in erster Linie nach der in der Probe vorhandenen Wassermenge.

 

Analytisches Prinzip der Wasserbestimmung nach Karl Fischer

Das Verfahren dieser Arzneibuchmethode beruht auf der Tatsache, dass Iod in Gegenwart von Wasser (und Abwesenheit von Alkoholen) durch Schwefeldioxid reduziert werden kann (1). Wenn jedoch ein geeigneter Alkohol (wie Methanol, CH3OH) ins Spiel kommt, so schnappt sich dieser das Schwefeldioxid und bildet einen sauren Ester, der durch eine geeignete Base wie Imidazol (als RN abgekürzt) neutralisiert wird (2) und das Iod hat auf den ersten Blick Pech gehabt. Allerdings wird das Methylsulfit-Anion (CH3SO3) durch das anwesende Wasser zu Methylsulfat (CH3SO4) umgesetzt, so dass das gelbbraune Iod (I2) doch noch zum Zuge kommt und zu farblosem Iodid reduziert wird (3).

2 H2O + SO2 + I2 → SO42− + 2 I + 4 H+                                                      (1)

CH3OH + SO2 + RN → (RNH)·(CH3SO3)                                                      (2)

(RNH)·(CH3SO3) + I2 + H2O + 2 RN → (RNH)·(CH3SO4) + 2 (RNH)·I              (3)

Da diese Reaktion vom anwesenden Wasser abhängig ist, kann sie nur so lange ablaufen, bis das in der Probe vorhandene Wasser vollständig verbraucht ist. Entsprechend kann nach dem Aufbrauchen des Wassers weiteres aus der Titrationslösung zudosiertes Iod nicht mehr reduziert werden und die entstehende Braunfärbung durch Iodüberschuss zeigt den Endpunkt an.

Im Gegensatz zur oben beschriebenen volumetrischen Bestimmung wird bei der coulometrischen Methode das für die Reaktion notwendige Iod elektrochemisch durch Oxidation von Iodid an einer Anode in der Reaktionszelle des Geräts erzeugt. Dabei wird Strom verbraucht. Das entstandene Iod reagiert wie oben beschrieben bzw. verbleibt nach Erreichen des Endpunkts in der Lösung. Der zur Erzeugung des Iods aufgewendete Strom ist damit der Menge des quantitativ umgesetzten Wassers aus der Probe direkt proportional.

 

Praktische Durchführung einer coulometrischen Karl Fischer Titration zur Wasserbestimmung

Für die Durchführung wird ein Coulometer eines namhaften Herstellers sowie eine entsprechende Anolytlösung und als Lösungsmittel trockenes Formamid verwendet. Das Coulometer besteht dabei aus der Reaktionszelle, den Elektroden (Iod generierende Anode und Iodverbrauch messende Kathode) und einem Magnetrührer.

Mit dem Formamid wird eine Blankbestimmung durchgeführt. Die Probe (in unserem Fall ein Lyophilisat) wird nach Entfernen des Etiketts und Reinigung der Außenwand zunächst gewogen und dann mit einem bestimmten Volumen an Formamid versetzt und resuspendiert. Davon wird ein definiertes Volumen entnommen und in die mit der Elektrolytlösung befüllte Reaktionszelle eingebracht. Dies kann wie in unserem Beispiel mit Hilfe einer Spritze erfolgen. Alternativ wäre auch ein Einbringen der Probe durch Evaporation möglich. Dafür wird die Probe in einem speziellen Ofen erhitzt und der Dampf wird mittels Inertgas zur Reaktionszelle transportiert. Für die Wasserbestimmung wird dann 30 Sekunden gerührt und anschließend bis zum Erhalt eines stabilen Endpunkts titiert.

Das verbliebende resuspendierte Probenfläschen wird nach gründlicher Reinigung vollständig getrocknet und anschließend in einem Exsikkator abgekühlt. Danach wird das Gewicht erneut bestimmt. Zur Berechnung des Wassergehalts in der Probe wird der Blankwert vom gemessenen Probenwert abgezogen und durch das Produkt aus eingesetztem Volumen und einem weiteren Faktor geteilt. Dieser weitere Faktor berücksichtigt das Gewicht vorher und nachher und das zur Resuspension zugegebene Volumen an Formamid.

 

Verifizierung einer coulometrischen Karl Fischer Titration

In beiden Kapiteln des Arzneibuchs finden sich Angaben zu den zu berücksichtigenden Parametern zur Verifizierung der Arzneibuchmethode. Neben der Evaluierung der Richtigkeit (über Versuche zur Linearität) macht es Sinn, die Präzision zu untersuchen und zur Festlegung geeigneter Systemeignungstest- (SST) Kriterien einen Blick auf die „Baseline Drift“ zu werfen, da die Richtigkeit und Präzision der Messung davon abhängig sind, wie gut das Eindringen von Luftfeuchtigkeit in das System vermieden werden kann. Diese Validierungsparameter entsprechen auch den Angaben der ICH Q2(R1) für eine Gehaltsbestimmung mit Ausnahme der ebenfalls geforderten Spezifität. Wenn man sich jedoch das hier zu Grunde liegende analytische Prinzip nochmal vor Augen hält, ist klar, dass diese Methode absolut spezifisch ist und somit keiner gesonderten Überprüfung bedarf.

Für unser Beispiel befinden wir uns im regulierten pharmazeutischen Umfeld, also in einem Labor mit kontrollierten Raumbedingungen, geschulten Mitarbeitern und qualifiziertem und regelmäßig gewarteten Equipment.

Um die Richtigkeit mit Hilfe von Linearitätsexperimenten bestimmen zu können, führen wir zunächst die Experimente zur Linearität durch. Damit wir uns diese gut überlegen können, brauchen wir noch 2 Angaben: a) das Volumen, in welchem unser Lyophilisat zur therapeutischen Anwendung resuspendiert werden soll (sagen wir hier 15 mL) und b) die maximal erlaubte Restfeuchte gemäß Spezifikation (wie z.B. 3%). Wir stellen zunächst eine Spikelösung her, indem wir genau 15 g Wasser (das Resuspensionsvolumen) in z.B. einen 30 mL Messkolben einwiegen und diesen dann mit Formamidlösung mit bekanntem (d.h. zuvor bestimmten) Wassergehalt auffüllen. Danach führen wir eine Wassersbestimmung unser zu untersuchenden, resuspendierten Probe durch und notieren das Ergebnis. Anschließend führen wir noch 5 weitere Bestimmungen durch, wobei wir jeweils unterschiedliche, immer größer werdende Volumina an Spikelösung zugeben (Stichwort: Additionsverfahren). Da unsere Probe ja nur eine maximale Restfeuchte von 3% haben darf, bieten sich dafür z.B. 1, 2, 3, 4 und 5% an, auch wenn für Gehaltsbestimmungen eigentlich nur ein Range von 80-120% (also von 2,4 bis 3,6%) evaluiert werden müsste. Zur Auswertung tragen wir die theoretischen kumulierten Wassermengen gegen die gemessenen kumulativen Wassermengen auf und wenden lineare Regression an. Zur Bewertung der Linearität ziehen wir das Bestimmtheitsmaß (R2) heran und definieren, dass dieses z.B. mind. 0,99 betragen soll.

Für die Beurteilung der Richtigkeit ermitteln wir die Wiederfindung (Recovery) für jedes eingesetzte Spike-Level, indem wir den gemessenen Wassergehalt durch den theoretischen Wassergehalt dividieren und mit 100 multiplizieren. Als Akzeptanzkriterium könnten wir z.B. ein Interval von 90-110% festlegen.

Um einen Eindruck von der Präzision zu bekommen, könnten 2 Analysten an zwei unterschiedlichen Tagen jeweils 6 Messungen durchführen, womit wir dann pro Tag die Wiederholpräzision (repeatability) und übergeordnet die interne Laborpräzision (intermediate precision) erschlagen hätten, aber natürlich wäre auch ein Matrix-Ansatz denkbar. Für unser Beispiel definieren wir eine relative Standardabweichung (RSD) von 15%.

Nachdem wir jetzt bereits die Linearität, Richtigkeit und Präzision untersucht haben, bietet sich natürlich auch an, aus diesen Daten den Arbeitsbereich abzuleiten. Er definiert sich als der Bereich, in dem die Validierungsparameter Linearität, Richtigkeit und Präzision erfolgreich eingehalten werden.

Außerdem hatten wir eingangs auch gesagt, dass wir zu Festlegung der SST-Kriterien die Drift untersuchen möchten. Wir stellen z.B. fest, dass wir bei unseren Messungen Drift-Werte zwischen 8 und 12 µg/min erhalten, was absolut in Ordnung ist, da es unter den maximal 20 µg/min liegt, die der Hersteller unseres Coulometers als Standardwert für die Startdrift vorgibt. Als weiteres SST-Kriterium könnten wir die Streuung (in Form der RSD) von z.B. 3 Blankbestimmungen in Betracht ziehen.

Unter Einhaltung aller zuvor definierten Akzeptanzkriterien wäre damit jetzt die Verifizierung dieser Arzneibuchmethode vollumfänglich durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen.

Im Zuge der Recherche zu diesem Artikel ist mir jedoch noch ein interessanter Bericht der Universität Tartu und des rumänischen Nationalinstituts für Metrologie über den Weg gelaufen [1]. In diesem beschreiben sie die Ergebnisse ihrer Verifizierung dieser Arzneibuchmethode, die sie mit zwei verschiedenen Coulometern (jeweils mit Ofensystemen zum Probeneintrag) zweier verschiedener Hersteller an ihren unterschiedlichen Standorten erzielt haben. Neben Linearitätsbestimmungen (jeweils mit einen R2 von > 0,999 im untersuchten Range) und Untersuchungen zur Bestimmungsgrenze (mit Ergebnissen zwischen 1,4 bis 11 µg je nach Gerät, Probeneintrag mit oder ohne Ofen und Auswertemethode) wurden verschiedene Experimente zur Robustheit durchgeführt. So wurden mit direkter Injektion (also ohne Ofen) der Polarisationsstrom zwischen den Indikatorelektroden, die Titrationsgeschwindigkeit und die Endpunktsbestimmung via relative oder absolute Drift bzw. via Indikatorelektrodenpotential in Augenschein genommen. Zudem wurde der Einfluss der Fließgeschwindigkeit des Trägergases im Ofen untersucht.

Bezüglich des Polarisationsstroms konnte festgestellt werden, dass je nach Gerät und angewandtem Strom ein geringerer Strom zu längeren Titrationszeiten und aufgrund der Hintergrunddrift zu höheren Standardabweichungen führt und zudem den größten relativen Unterschied zum erwarteten Ergebnis aufweist. Der Einfluss der in den Geräten voreingestellten Titrationsgeschwindigkeiten war bei beiden Geräten gering. Zwar hat die Voreinstellung „langsam“ bei beiden Geräten zu den längsten Titrationszeiten und höchsten Standardabweichungen geführt, aber generell wurden bei allen drei Einstellungen beider Geräte relative Unterschiede zum Erwartungswert von kleiner 1% vorgefunden. Hinsichtlich der Endpunktsbestimmung wurde beobachtet, dass bei beiden Geräten die Verwendung eines absoluten Drift-Kriteriums besser war als ein relatives Drift-Kriterium, eine Variation des Indikatorelektrodenpotentials jedoch keine großartigen Auswirkungen auszuüben scheint. Bei der Evaluierung des Einflusses der Fließgeschwindigkeit des Trägergases im Ofen wurden bei allen untersuchten Proben bei beiden Geräten die größten Abweichungen zum Erwartungswert mit den niedrigsten Fließgeschwindigkeiten erhalten.

Des Weiteren wurde sich ausführlich mit der Messunsicherheit beschäftigt. An sich sehr interessant, aber darauf hier näher einzugehen würde den Rahmen dieses Blogartikels bei Weitem sprengen, daher sei dem geneigten, neugierigen Leser ein Blick in die Originalpublikation ans Herz gelegt ????

Abschließend sei noch erwähnt, dass die beiden Ph. Eur. Monografien 2.5.12 und 2.5.32 keinesfalls untereinander austauschbar sind und eine Anwendung der anderen, nicht registrierten Methode als alternative Methode angesehen wird und entsprechende Kreuzvalidierung erfordern würde.

 

Referenzen

[1] Aro R., Jaluske L., Leito I., Nicolescu I., Ionescu G. (2016). Validation report and uncertainty budget of Coulometric Karl Fischer titrator with an oven system