Der Risikomanagementprozess nach ISO 14971 und mögliche anzuwendende Techniken zur Risikoanalyse

Geschrieben von Dr. Janet Thode Veröffentlicht in ISO 13485

Gemäß der ISO 14971 besteht der Risikomanagement Prozess aus verschiedenen aufeinander folgenden Abschnitten. Zuerst müssen mit Hilfe einer Risikoanalyse die mit dem Medizinprodukt verbundenen Gefährdungen identifiziert werden und die einhergehenden Risiken eingeschätzt werden. Anschließend erfolgt eine Risikobewertung. Die identifizierten Risiken müssen im laufenden Prozess durch geeignete Maßnahmen beherrscht werden. Dies schließt auch die Bewertung des Restrisikos mit ein. Schließlich muss die Wirksamkeit der Beherrschung überwacht werden, dies geschieht durch die Sammlung von Informationen über das Medizinprodukt aus der Herstellung und der Herstellung nachgelagerter Phasen. Im Arzneimittel-Sektor ist dies vergleichbar mit einem Pharmakovigilanzsystem.

Der erste Schritt, die Risikoanalyse selber, besteht ebenfalls aus verschiedenen Phasen. In der ersten Phase wird der Einsatzzweck des Medizinproduktes vom Hersteller definiert und alle Merkmale identifiziert, welche die Sicherheit des Medizinproduktes beeinflussen können. In der zweiten Phase werden die Gefährdungen identifiziert, die von dem Medizinprodukt unter Normal- und Fehlerbedingungen ausgehen könnten. Dafür existieren verschiedenen Techniken, diese wollen wir später kurz vorstellen. Den Abschluss bildet die Einschätzung des Risikos.

 

Anwendbare Techniken zur Risikoanalyse

Die Techniken zur Risikoanalyse bzw. zur Identifizierung der Gefahren müssen nicht alleine betrachtet werden, da sie sich ergänzen können. Zudem kann es sinnvoll sein, mehrere Techniken anzuwenden. Allen gemeinsam ist, dass es sich jeweils um strukturierte Verfahren handelt, bei denen sukzessive die Kette der Ereignisse step by step analysiert wird.

In den frühen Entwicklungsstadien, wenn erst wenig Informationen bezüglich der Konstruktion des Medizinproduktes oder über die Betriebsabläufe vorliegen, kann eine vorläufige Gefährdungsanalyse (Preliminary Hazard Analysis, PHA) Anwendung finden. Dieses induktive Analyseverfahren kann ein Vorläufer für weitere Techniken sein.

Die Fehlerbaumanalyse (Fault Tree Analysis, FTA), ein deduktiver systematischer Ansatz, wird ebenfalls früh in der Entwicklung eingesetzt. Sie setzt Gefährdungen (Top-Ereignisse) voraus, die bereits mit anderen Techniken ermittelt wurden. Sie hilft Ursachen zu verstehen und kann zur Einschätzung der Fehlerwahrscheinlichkeiten verwendet werden.

Die Fehler-Möglichkeits- und -einflussanalyse (Failure Mode and Effect Analysis, FMEA) erfordert gutes Produkt- und Prozessverständnis, entsprechend sollte die Konstruktion des Medizinprodukts bereits einigermaßen ausgereift sein. Als induktive Technik untersucht sie systematisch die Auswirkungen einzelner Fehlermöglichkeiten, indem die Frage gestellt wird „Was geschieht, wenn...?“. Dabei wird ein komplexer Prozess in kleine handhabbare Schritte unterteilt. Alle Fehlermöglichkeiten werden gesammelt und bewertet. Außerdem werden geeignete Maßnahmen zur Vermeidung oder Entdeckung der potenziellen Fehler für alle risikobehafteten Teile geplant.

Die Grundlage einer Studie über Gefährdung und Beherrschbarkeit (Hazard and Operability Study, HAZOP) ist eine Theorie, die besagt, dass Risikoereignisse durch Abweichungen von der Konzeption oder der beabsichtigten Verwendung (vom vorgesehenen Idealzustand) verursacht werden. Es ist ein exploratives Verfahren, in dem ein Team Brainstorming unter Zuhilfenahme von Leitwörtern (KEIN, TEIL VON usw.) betreibt mit dem Ziel alle denkbaren Gefahren aufzufinden. Sie kommt in der Regel in den späteren Stadien der Entwicklung zur Anwendung, um eine Verifizierung durchzuführen und anschließend Gestaltungskonzepte zu optimieren.

Auch die Gefahrenanalyse an kritischen Kontrollpunkten (Hazard Analysis on Critical Control Points, HACCP) kommt erst zu einem späteren Zeitpunkt zum Einsatz. Sie kann zur Kontrolle und Überwachung auslösender Ursachen verwendet werden, insbesondere wenn der Ursprung der Gefährdung in einem Verfahren (z.B. Herstellungsverfahren) liegt.