Filtervalidierung: Durchzuführende produktspezifische Studien seitens des Filternutzers

 

Neben den Informationen, die vom Filterhersteller bezogen werden können, gibt es Studien, die mit Produkt und – wenn möglich - unter Prozessbedingungen durchgeführt werden müssen. Für diese Studien ist der Filternutzer also das Pharmaunternehmen verantwortlich. Abgesehen von den Studien, die bereits während der Entwicklung in-house durchgeführt sein könnten, kann sich auch eine Kooperation mit dem Filterhersteller dafür gut eignen. Nachfolgendes soll einen kleinen Überblick geben.

Ein Viabilitätstest gibt Auskunft darüber, ob das betreffende Produkt auf die Bakterien, die für den Bakterienrückhaltetest (üblicherweise Brevundimonas diminuta) eingesetzt werden, bakterizide Wirkung ausübt. Er ist notwendig, um den nachfolgenden Bakterienrückhaltetest sinnvoll zu konzipieren. Dafür wird eine definierte Anzahl an B. diminuta in Produktlösung für die Dauer des gesamten Filtrationsprozesses inkubiert. Am Ende sollte die Anzahl an Bakterien nicht gesunken sein. Falls das Produkt jedoch eine bakterizide Wirkung ausüben sollte, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Modifikation des Bakterienrückhaltetests. So ist z.B. eine verkürzte Inkubation mit den Bakterien für die sie erträgliche Zeitdauer möglich in Kombination mit einer zuvor erfolgten Prekonditionierung des Filters (ohne Bakterien) mit Produkt für die restliche Zeitdauer, um die Gesamtzeit des Filtrationsprozesses abzubilden.

Mit dem Bakterienrückhaltetest (in ISO 13408-2 auch als "Bakterielle Belastungsprüfung" bezeichnet) entsprechend der ASTM F838-20 Methode unter Verwendung von Produkt soll der Nachweis erbracht werden, dass der Filter für den gesamten Filtrationszeitraum in der Lage ist, ein steriles Filtrat zu liefern und in seiner Funktion von der Produktlösung unbeeinträchtigt ist. Dabei sind für den Test entsprechend der Empfehlungen der FDA worst case Produktionsbedingungen anzuwenden, dies sieht z.B. neben der längsten Filtrationsdauer auch die Anwendung des höchsten Drucks vor (siehe dazu auch unseren Blogbeitrag im Hinblick auf die Parameter des Filterintegritätstests). Des Weiteren kann anstelle des Bakteriums Brevundimonas diminuta, welches gemäß der ASTM F838-20 Methode zum Einsatz kommt, auch ein Bioburden Isolat für den Test eingesetzt werden, wenn dieses genauso klein oder kleiner als B. diminuta ist. Bei uneingeschränkter Viabilität ist die direkte Inokulation der Bakterien in die Produktlösung die zu bevorzugende Methode. Falls dies nicht möglich ist, werden Alternativen aufgezeigt. Für den Test muss nicht genau der gleiche Filter wie derjenige, der in der Produktion eingesetzt wird, verwendet werden, wohl aber die gleiche Filtermembran. Außerdem sind die im Test einzusetzenden Filter auf Integrität zu testen und die Integritätstestergebnisse dem Studienbericht beizufügen.

Ein produktspezifischer Bubble Point Test oder Diffusionstest als Filterintegritätstest hat den Zweck, nachzuweisen, dass es während der Produktion zu keinerlei Beschädigung des Filters gekommen ist, wodurch die Bakterienrückhaltung hätte beeinträchtigt sein können. Sinnvollerweise wird die Integrität sowohl vor als auch nach der Filtration im Falle einer Sterilfiltration für die finale Abfüllung bestimmt. Eine vorherige Bestimmung gibt ggf. grünes Licht für die Abfüllung oder ermöglicht ansonsten einen Filterwechsel, eine abschließende Bestimmung dient als Nachweis des korrekt abgelaufenen Prozesses und ist von der FDA gefordert. Zur Verifizierung bietet es sich an, eine definierte Anzahl an Integritätswerten aufzulisten, die unter Prozessbedingungen ermittelt wurden.

Eine ausschließliche Untersuchung zur Freisetzung von Partikeln aus dem Filter durch Spülen mit Wasser, wie sie herstellerseitig durchgeführt wird, ist nicht sinnvoll, da der Kontakt des Produktes mit der Membran im ungünstigen Falle auch zu einer Partikelgenerierung führen könnte. Entsprechend ist dieser Aspekt zu berücksichtigen. Eine solche Untersuchung kann z.B. im Labormaßstab durch eine zirkulierende Filtration unter Verwendung der gleichen Filtermembran durchgeführt werden. Als Akzeptanzkriterien gelten die entsprechenden Pharmakopöe-Vorgaben (USP <787> / <788>, Ph. Eur. 2.9.19 und JP 6.07). Ergänzend können auch die Ergebnisse der Prozessvalidierung aufgeführt werden.

Die Möglichkeit der Adsorption von Bestandteilen der Produktzusammensetzung an die Filtermembran ist vielfach beschrieben (u.a. Zhou 2008, Mahler 2010, Lei 2013, Pillai 2016). Dies betrifft insbesondere die Adsorption des Proteins selber und von Tensiden wie Polysorbat 20 oder 80. Da eine Änderung der Produktzusammensetzung u.a. dramatische Auswirkungen auf die Wirksamkeit oder Stabilität des Medikamentes haben kann, sind Untersuchungen zur Adsorption notwendig. Gemäß PDA Report 26 werden sie üblicherweise während Prozessentwicklung als small scale Studien gemacht und später at-scale bestätigt. Die Bestätigung kann z.B. anhand der Daten der Prozessvalidierung erfolgen.

Mehrfach- / Refiltrationen finden üblicherweise im Routineprozess nicht statt, entsprechend ist ihre Untersuchung keine Anforderung der PDA, erscheint aber vor dem Hintergrund möglicher auftretender Produktionsstörungen sinnvoll. So wäre z.B. bei einem nicht bestandenen Filterintegritätstest des Sterilfilters direkt vor der Abfüllung eine Rückführung und Zwischenlagerung der Produktlösung notwendig, verbunden mit einer erneuten Filtration nach Austausch des defekten Sterilfilters. In diesem Falle ist es sinnvoll, Informationen darüber zu haben, ob der erhöhte Scherstress durch die wiederholte Filtration einen negativen Einfluss auf die Produktqualität ausübt oder nicht. Entsprechend kann z.B. der Proteingehalt nach einer definierten Anzahl zirkulierender Filtrationen untersucht und gegen die Freigabe-Spezifikation abgeglichen werden. Auch die FDA empfiehlt eine routinemäßige Einmalverwendung, erlaubt aber bei entsprechender Begründung auch die Mehrfachverwendung. In diesem Falle ist die Maximalanzahl an Refiltrationen zu validieren.

Pharmaunternehmen sind dafür verantwortlich, die Sicherheit ihrer Medikamente zu garantieren. Dies gilt auch für mögliche extrahierbare Substanzen wie Extractables und Leachables, daher müssen sie eigene Extractables / Leachables-Studien durchführen, wenn die Daten des Filterherstellers für eine Risikoabschätzung nicht ausreichend sind. Zur Durchführung solcher Studien existiert derzeit kein Industriestandard. Im PDA Report 26 finden sich Empfehlungen zur Durchführung, doch scheint große Variabilität erlaubt, so wird beispielsweise eine Vielzahl an Analysemethoden (von RP-HPLC über GC-MS bis zu TOC) für die Extrakte genannt, aber keine klaren Präferenzen angegeben. Und in Anbetracht dessen, dass sowohl quantifiziert als auch identifiziert werden sollte, unterschieden sich die genannten Methoden gewaltig. Die Extractables-Arbeitsgruppe der BioPhorum Operations Group (BPOG) hat eine Initiative gestartet, dies zu ändern und ein entsprechendes Paper veröffentlicht [1], welches Empfehlungen zur Durchführung der Extraktion, den anzuwendenden Methoden zur Analyse (LC-MS, GC-MS und IPC-MS) und zu Angaben im abschließenden Testbericht macht. Eine breite Unterstützung der pharmazeutischen Industrie ist anzunehmen, da bei diesem Paper 18 BPOG Mitgliedsfirmen aus über 26 Standorten mitgearbeitet haben. Das erarbeitete Testprotokoll soll zudem Standard setzenden Organisationen (wie ASTM und USP) zugänglich gemacht werden, damit diese daraus einen neuen Standard entwickeln können.

[1] Ding W., Madsen G., Mahajan E., O’Connor S., Wong K., Standardized Extractables Testing Protocol for Single Use Systems in Biomanufacturing, Pharmaceutical Engineering, November / December 2014, 74 – 85