Arzneimittel versus Medizinprodukt - wo liegen die Unterschiede?

Geschrieben von Eva Arnold Veröffentlicht in ISO 13485

Sowohl Arzneimittel als auch Medizinprodukte dienen therapeutischen und/oder diagnostischen Zwecken zur Verwendung beim Menschen. Die Herstellung und Zulassung der Produkte beider Kategorien unterliegt strengen Gesetzen.

Je nach Klassifizierung des Produkts muss der Herstellungsprozess streng kontrolliert und validiert werden, wobei für Medizinprodukte und Arzneimittel jeweils unterschiedliche Regularien gelten: Das Medizinproduktegesetz und das Arzneimittelgesetz. Deshalb ist es von höchster Wichtigkeit, die beiden Produktkategorien zu definieren und voneinander zu unterscheiden. Der größte Unterschied hierbei ist die jeweilige Wirkungsweise. Dabei ist immer von der bestimmungsgemäßen Hauptwirkung die Rede – sprich der Wirkung, für die das Produkt ursprünglich entwickelt worden ist.

Die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Medizinprodukten ist dabei nicht immer eindeutig. Grundsätzlich kann man Stoffe, die in den Metabolismus oder das Immunsystem des Körpers eingreifen, zu Arzneimitteln zählen. Sie vermitteln ihre Wirkung also pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch. Festgelegt sind diese Definitionen durch das Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz in Deutschland bzw. EU-weit über bestimmte EU-Richtlinien (insbesondere die Richtlinien 2001/83/EG für Humanarzneimittel und 93/42/EWG über Medizinprodukte). Oft ist aber eine fallbezogene Analyse des Produkts nötig, um die Entscheidung zwischen Medizinprodukt oder Arzneimittel zu fällen. Dabei kann es zu nationalen Ausnahmen kommen. Laut EU-Richtlinie handelt es sich bei in-vivo-Diagnostika wie einem Kontrastmittel um ein Medizinprodukt, während es in Deutschland als Arzneimittel zählt. Die Neuzulassung von Arzneimitteln in Europa und den USA ist mit kosten- und zeitaufwändigen klinischen Studien verbunden. Zugelassene und in Verkehr gebrachte Arzneimittel unterliegen kontinuierlichen Kontrollen. In dem Zusammenhang sind auch die Stufenplanbeauftragen zu erwähnen, die im Rahmen der Pharmakovigilanz sämtliche Meldungen von Nebenwirkungen und Risiken sammeln, bewerten und die entsprechenden Maßnahmen koordinieren. Nicht selten landen Streitfälle darüber, ob ein Produkt ein Arzneimittel oder ein Medizinprodukt ist, vor Gericht.

Im Gegensatz zum Arzneimittel darf die Wirkung eines Medizinprodukts nicht pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch vermittelt werden. Das heißt, ein Medizinprodukt darf keinen arzneilich wirksamen Inhaltsstoff beinhalten, der unter das Arzneimittelgesetz fällt – wäre dies der Fall, zählt das Produkt als Arzneimittel. Die Wirkung von Medizinprodukten ist also vorwiegend physikalischer Natur. Das Angebot an Medizinprodukten ist sehr breit gefächert und reicht von Rollstühlen und Verbandmaterial über Hörgeräte, Kontaktlinsen und Kondomen bis hin zu Herzschrittmachern und künstlichen Gelenken. Die Medizinprodukte werden dabei je nach Risikobeurteilung in vier Klassen unterteilt: Klasse I (geringes Risiko), IIa, IIb und III (hohes Risiko).

Bis auf wenige Ausnahmen müssen für die Vermarktung zugelassene Medizinprodukte eine CE-Kennzeichnung besitzen. Eine CE-Kennzeichnung dient dem Nachweis darüber, dass ein Medizinprodukt den entsprechenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Produkts. Dabei werden drei wichtige europäische Richtlinien berücksichtigt: die 98/79/EWG für in-vitro-Diagnostika, die 90/385/EWG für aktive implantierbare medizinische Geräte und die Richtlinie 93/42/EWG für sonstige Medizinprodukte.

Sowohl unter den Medizinprodukten als auch den Arzneimitteln gibt es Produkte, die vorwiegend für den ärztlichen Gebrauch gedacht sind. Hier seien als Beispiele für Arzneimittel vom Arzt zu verabreichende Impfungen und Infusionen genannt. Zu den Medizinprodukten gehören beispielsweise Röntgengeräte oder Zahnprothesen, die ausschließlich von Ärzten verwendet bzw. montiert werden. Daneben gibt es aber auch Produkte, die zur Verwendung durch den Endverbraucher, also den Patienten selbst, gedacht sind. Unter den Arzneimitteln sind hier z.B. die Fertigarzneimittel einer Hausapotheke zu finden: Kopfschmerztabletten, Durchfallmittel und Erkältungsmittel. Beispiele hierfür sind bei den Medizinprodukten u.a. steriles Verbandmaterial aber auch Verhütungsmittel wie Kondome.

Einen Sonderfall stellen sogenannte Kombinationsprodukte (combination products) dar: Sie definieren sich durch die Kombination von Arzneimittel, biologischem Produkt und/oder einem Gerät unter der Bedingung, dass die Produkte in Zusammenhang stehen und einem gemeinsamen Zweck dienen müssen. Beispiele für Kombinationsprodukte sind vorgefüllte Insulin- oder Adrenalin-Spritzen (sogenannte „Pens“ zur Selbstinjektion), transdermale Pflaster (Nikotinpflaster, Hühneraugenpflaster), Kondome mit Spermizidbeschichtung, aber auch fotosensibilisierende Arzneimittel mit der dazugehörigen aktivierenden Lichtquelle. Obwohl hier Arzneimittel und Medizinprodukt kombiniert werden, muss der Hersteller des Produkts sich für eine Kategorie entscheiden – eine Kategorisierung eines einzigen Produkts sowohl als Arzneimittel als auch als Medizinprodukt ist nicht zulässig. Definiert wird das Produkt auch hier wieder nach der bestimmungsgemäßen Hauptwirkung, wobei das bei Kombinationsprodukten oft zum Streitfall wird. Gut zu unterscheiden sind dabei die Produkte, bei denen das medizinische Produkt eine feste Einheit mit dem Arzneimittel bildet, also nicht wiederverwendbar ist (sogenannte Arzneimittelkits). Dies wollen wir anhand des Beispiels einer Spritze verdeutlichen: Zum einmaligen Gebrauch gedachte Insulinspritzen fallen unter das Arzneimittelgesetz, da sie eine feste Einheit bilden, während wiederbefüllbare Insulinspritzen zu den Medizinprodukten zählen. Hier zählt die separat erhältliche „Füllung“ als Arzneimittel.